Frankreich: Noch eine Woche bis zum ersten Wahlgang

Eine Woche vor dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl haben am Wochenende mehrere große Meetings stattgefunden. Inhaltlich war nicht viel dabei.

Wenn man die Wahlplakate sieht, hat man das Gefühl, dass keiner der Kandidaten sonderlich beliebt ist... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, dass gar kein Wahlkampf in Frankreich stattfindet. In den Straßen sieht man kaum Wahlplakate und dort, wo welche geklebt werden, sind sie schon Stunden später wieder heruntergerissen oder entstellt. „Wahlkampf“, das sieht normalerweise anders aus, doch die Franzosen haben kaum eine wirkliche Wahl zwischen den schwammigen und in weiten Teilen ähnlich klingenden Programmen, die ohnehin niemand liest. Statt eines Wahlkampfs erleben die Franzosen eine bissige Auseinandersetzung, nicht etwa zwischen Parteien und Visionen für das Land, sondern zwischen sektenähnlichen Organisationen, die eine Politikshow betreiben, bei denen selbst die Amerikaner blass würden.

Der Champion des Personenkults um die eigene Person ist natürlich Amtsinhaber Emmanuel Macron. Bei seinem Samstags-Meeting in Paris vor 30.000 seiner Jünger (in der 11 Millionen-Metropole Paris gab es so wenig Nachfrage nach den Plätzen, dass „La République en Marche“ nicht nur die Teilnehmer aus ganz Frankreich herankarren musste, sondern sogar ein Preisausschreiben veranstaltete, bei dem diejenigen Preise gewinnen konnten, die möglichst viele weitere Teilnehmer mitbrachten…), feierte sich Macron in erster Linie selbst.

Dass die „Macronie“ tatsächlich eine Art Sekte ist, merkte man, als Macron die französische Devise „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ deklinierte und für sich in Anspruch nahm. Keiner der 30.000 begeisterten Teilnehmer merkte, was Macron da tat. Der Präsident, der enorm viele Freiheiten der Franzosen in fünf Jahren beschnitten hat (neues, restriktives Presserecht, Aushebeln des Schutzes persönlicher Daten [empfohlene Lektüre: die Dekrete 2020-151 ff.] , Neuorganisation des Demonstrationsrechts) hätte eigentlich nicht von „Freiheit“ sprechen dürfen. „Gleichheit“? In Frankreich? Macrons erste Tat als Präsident war es, das Wohngeld der Ärmsten um 5 € zu kürzen, während er gleichzeitig die Reichensteuer ISF abschaffte. Frei nach Orwell sind in Frankreich eben einige Wenige „gleicher“ als der Rest der Bevölkerung, doch das scheint Macrons Jünger nicht zu stören. „Brüderlichkeit“? Es gibt wohl kaum eine Bevölkerungsgruppe, die Macron in seiner fünfjährigen Amtszeit nicht beleidigt, geringgeschätzt und von oben herab behandelt hat. Die 30.000 in Paris waren vermutlich diejenigen, die in keine der Kategorien fielen, die sich Macron hemdsärmelig vorgeknöpft hatte…

Doch Macron ist mit seiner „Personality Show“ nicht alleine - die anderen Kandidaten stehen ihm kaum nach. Mit dem Unterschied, dass die 11 anderen Kandidaten wenigstens versuchten, so etwas wie einen Wahlkampf zu führen. Macron weigerte sich, an Debatten mit seinen Mitbewerbern teilzunehmen, da so etwas offenbar unter der Würde eines Sonnenkönigs ist.

Die Leidtragenden dieser Politik-Show werden die Franzosen sein. Anders, als es die regierungstreuen Medien der „Presse Présidentielle“ täglich berichten, ist die Wahl alles andere als gelaufen und am nächsten Sonntag könnte es bereits die erste Überraschung geben. Denn ungefähr drei Viertel der Franzosen haben von der „Macronie“ die Nase gestrichen voll. Bis auf seine Jünger glaubt auch niemand mehr, dass die „halbe Welt Frankreich um seinen jungen und schönen Präsidenten beneidet“, die internationalen Medien haben die wirkungslose Schaumschlägerei Macrons in den letzten 5 Jahren längst durchschaut.

Doch sollte jemand anderes Macron aus dem Elysee-Palast verjagen können, bedeutet das nicht unbedingt, dass die Lage besser wird. Denn im Falle einer Niederlage Macrons könnte sich wohl nur ein rechtsextremer Kandidat durchsetzen, die Linke ist derart zersplittert, dass aus der Ecke nichts mehr zu erwarten ist. Nur – anders als bei Macron, der 2017 noch als „Hoffnungsträger“ durchging, dürften die Franzosen bei einem rechtsextremen Präsidenten hellhöriger sein und sie haben die Möglichkeit, bei den im Anschluss stattfindenden Parlamentswahlen dem neuen Präsidenten ein parlamentarisches Gegengewicht entgegenzusetzen.

Eine Woche vor diesen für Frankreich und Europa so wichtigen Wahlen kommt kaum Wahlfieber auf, denn die Franzosen wissen nur zu gut, dass der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin lediglich als das vermeintliche „kleinere Übel“ gewählt werden wird. Kein einziger Kandidat, keine einzige Kandidatin wird als echte oder echter „Hoffnungsträger“ betrachtet und man wundert sich, dass bei 65 Millionen Franzosen ausgerechnet dieses Dutzend Kandidaten und Kandidatinnen übriggeblieben ist. Eine jämmerliche Vorstellung, diese Wahl…

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