Frankreich probt den Aufstand

Am 17. November wollen viele Franzosen den Straßenverkehr und vor allem die Tankstellen blockieren, um gegen die erneut erhöhten Benzinpreise zu protestieren. Aber nicht nur das.

Diese gelben Warnwesten sollen das Erkennungszeichen der Protestierenden am 17. November werden. Foto: Otto Schraubinger / Iser:Magmer / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0de

(KL) – Der 17. November wird ein Tag wie kein anderer in Frankreich werden. Viele Autofahrer werden sich der Streikaktion anschließen und große Verkehrsadern blockieren, Tankstellen unzugänglich machen und als Erkennungszeichen werden sie ihre gelben Warnwesten hinter die Windschutzscheibe legen. Aber bei diesem Protesttag, den die verschiedensten Gruppen und Gruppierungen für sich zu nutzen suchen, geht es eigentlich nur am Rande um die Benzinpreise – Frankreich probt den Aufstand gegen seinen Präsidenten Emmanuel Macron.

In den eineinhalb Jahren seiner Amtszeit hat es Präsident Macron geschafft, so ziemlich jede Bevölkerungsgruppe gegen sich einzunehmen. Sei es, dass er seine Landsleute pauschal als „meckernde Gallier“ beschimpfte oder Arbeitslosen riet, doch einfach die Straße zu überqueren, da es auf der anderen Straßenseite jede Menge Jobs gibt, sei es die Erhöhung der Sozialabgaben für Rentner, die Kürzung des Wohngelds für die sozial Schwächsten, die neuen Hürden für Studenten durch das System „ParcourSup“ – kurz, in seiner kurzen bisherigen Amtszeit hat Macron kein einziges Fettnäpfchen ausgelassen. Da sind die hohen Benzinpreise nur der Auslöser: Am 17. November werden die Franzosen testen, wie es ist, sich gegen den Präsidenten aufzulehnen.

Macron, der sich alle Mühe gegeben hat, sich als „Präsident der Reichen“ zu positionieren, wird am 17. November vor einer schwierigen Situation stehen. Sollte er wie angekündigt „hart durchgreifen“, outet er sich endgültig als ein Präsident, der so abgehoben von seinem Volk regiert, dass er damit bereits die demokratische Legitimierung seines Amts verlieren könnte. Lässt er die Demonstranten tatsächlich das Land lahmlegen, stünde er als schwacher Präsident da, der seinen Laden nicht im Griff hat.

Doch nicht nur Emmanuel Macron wird am 17. November durch diese Protestaktion Schwierigkeiten bekommen, den Organisatoren dieses „Aktionstags“ wird es nicht anders gehen. Denn diese Aktion ging von einer rein privaten Initiative aus und inzwischen versuchten zahlreiche Gruppierungen von Linksaußen bis Rechtsaußen, diesen Aktionstag für sich zu vereinnahmen. So würde es den linken und rechten Extremisten gut in den Kram passen, würde ein solcher „Generalstreik light“ Chaos im Land säen und den Präsidenten schwächen. Doch auch andere Gruppen wollen auf der Welle dieses Aktionstags mitschwimmen. Die einen rufen dazu auf, am 17. November ganz auf Konsum zu verzichten („Am 17. November soll keine Ladenkasse klingeln“), andere fordern an diesem Tag einen Fleischverzicht und bis zum 17. November werden wir sicher noch zahlreiche andere Ideen präsentiert bekommen. Jeder versucht, am 17. November sein eigenes Süppchen zu kochen und alle verfolgen dennoch ein gemeinsames Ziel – den französischen Präsidenten zu destabilisieren.

Das Hauptproblem von Emmanuel Macron scheinen seine Berater zu sein, die wohl eher Hofschranzen als Ratgeber sind. Vielleicht sollte irgendjemand mal dem Präsidenten flüstern, dass ein etwas respektvollerer Umgang mit seinen Landsleuten, ein etwas weniger feudales Gehabe und die eine oder andere soziale Maßnahme die Franzosen wieder hinter ihm versammeln könnten. Stattdessen lassen ihn seine Berater unwidersprochen sozial schwache Mitbürger beleidigen („die kosten eine Wahnsinnskohle…“).

Und somit ist heute schon klar, dass es am 17. November keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben kann. Dabei könnte der größte Verlierer der Präsident selber sein – und das würde Frankreich auch nicht weiterhelfen. Dabei gäbe es einen recht einfachen Weg, dieses überflüssige Armdrücken zwischen dem Präsidenten und seinem Volk zu verhindern: Macron müsste nur die aktuelle Benzinpreiserhöhung zurücknehmen, gekoppelt an die Bedingung, den 17. November als Aktionstag ausfallen zu lassen. Dann könnten alle das Gesicht wahren, doch diese Lösung ist wahrscheinlich zu einfach. Und dieser Graben zwischen dem Präsidenten und den Franzosen ist genau das, was Sorgen macht. Es wäre an der Zeit, dass sich Emmanuel Macron wieder seinem Volk annähert, ansonsten könnte es schwierig werden, bis ans Ende seiner Amtszeit zu regieren. Auflösung am 18. November…

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