Frankreich: rechts vom Abgrund

Frankreichs Wählerschaft zeigt ihr hässlichstes Gesicht – in den Umfragen für die Präsidentschaftswahl prescht der Populist Eric Zemmour bereits auf den zweiten Platz vor.

Im Vergleich zur Rechtsextremen Marine Le Pen steht Eric Zemmour noch deutlich weiter rechts... Foto: Entourage Zemmour / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die rechtsextreme Marine Le Pen, seit Jahren Feindbild aller nicht rechtsextremen Franzosen, versteht die Welt nicht mehr. Offensichtlich ist sie für einen großen Teil der französischen Wählerschaft nicht rechts genug. Denn rechts von ihr marschiert gerade ein extremistischer Populist durch die Umfragen, der zwar immer noch nicht offiziell Kandidat ist, sich aber nach den aktuellen Umfragen schon für die Stichwahl gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron qualifizieren würde. Da bleibt für eine „normale“ Rechtsextreme wie Marine Le Pen kein Platz mehr und folgerichtig rutscht sie in den Umfragen mit 15 % auf den dritten Platz ab.

Waren wir in Deutschland mit dem Kandidatentrio Scholz, Laschet und Baerbock schon nicht sonderlich gut bedient, so muss man mit Frankreich schon fast Mitleid haben. Im nächsten Jahr dürfen sich die Franzosen aussuchen, ob sie lieber vom Erfindet des „digitalen Totalitarismus“ Emmanuel Macron (24 %), von einem durchgeknallten Populisten Eric Zemmour (17 %), einer abgehalfterten Rechtsextremen Marine Le Pen (15 %), einem Egomanen Xavier Bertrand (der sich geweigert hat, seine Kandidatur im Rahmen einer Vorwahl legitimieren zu lassen, 13 %), dem seit 30 Jahren wütenden Linksextremen Jean-Luc Mélenchon (11 %), oder den chancenlosen Yannick Jadot (Grüne, 6 %) oder Anne Hidalgo (PS, 6 %) regiert werden wollen. Von den anderen Dauerkandidaten im Ein-Prozent-Bereich muss man gar nicht erst reden.

Ist es Verzweiflung, die Frankreich in die Arme dieser Leute treibt? Haben die Franzosen wirklich die Lust am Untergang für sich entdeckt? Wollen sie wirklich schauen, ob es einer dieser Kandidaten schafft, das Land ins komplette Elend zu stürzen? Und vor allem: Gibt es in Frankreich wirklich niemanden in der Politik, der eine Alternative zu diesem Sammelsurium an Profilneurotikern, Extremisten, Hasspredigern und Planlosen darstellen könnte?

Das grundlegende Problem der Politik, nicht nur in Frankreich, sind die Parteien, die dafür sorgen, dass solche seltsamen Menschen in Kandidatenpositionen gespült werden. Natürlich stellen diese Kandidaten nicht das Beste dar, was das Land zu bieten hat, genauso wenig, wie die Wahl zwischen dem Politikclown Trump und dem Politgreis Biden sicher nicht die Wahl zwischen den beiden brillantesten Köpfen der USA war. Doch die politischen Parteien sind so verkrustete Debattierclubs geworden, dass es an Nachwuchskräften mangelt und wenn in einer Partei mal ein Nachwuchstalent auftaucht, dann hat es keine Chance, sich gegen die alten Seilschaften durchzusetzen. Um Kandidat oder Kandidatin zu werden, muss man Teil dieser Seilschaften sein.

Aber es ist beunruhigend, dass ein Extremist wie Eric Zemmour so leichtes Spiel hat und seine Slogans bei so vielen Franzosen verfangen. Sein Frauenbild ist gar nicht so weit von dem der Taliban entfernt, Ausländer sollten am besten gleich das Land verlassen, und ansonsten ist Zemmour eine Art „Trump in intelligent“, dessen „Frankreich first“ gerne von vielen Franzosen aufgenommen wird.

Wer hätte gedacht, dass es im politischen Spektrum Frankreich rechts von Marine Le Pen noch Platz gibt? Auf jeden Fall wird Frankreich jetzt sehr aufpassen müssen. Nachdem Emmanuel Macron die komplette Linke zur Implosion gebracht hat, schafft Eric Zemmour gerade das gleiche mit der Rechten. Zurück bleibt eine Art „Weimarer Republik 2.0“, die allen extremistischen Ausuferungen eine Bühne bietet. Kurz vor dem Superwahljahr 2022 fangen die Franzosen an, mit dem Feuer zu spielen. Und offenbar sind alle gespannt, wie weit dieses Drama noch gehen kann. Die Geschichte zeigt, dass solche Experimente meistens in Katastrophen münden.

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