Frankreich sucht den neuen Superhelden

Zum 200. Todestag von Napoleon Bonaparte und dem 40. Jahrestag des historischen Wahlerfolgs von François Mitterrand sucht Frankreich nach Helden. Die möglichst integrieren sollen.

Ja, so erinnert man sich in Frankreich gerne an Napoleon... Foto: Engelbert Willmes / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Frankreich erinnert sich. Auch, wenn viele Erinnerungen bis zu einem Punkt verklärt werden können, dass sich der historische Blick trübt. In diesen Tagen werden zwei Gedenktage in den französischen Medien auf und ab diskutiert, die, wie könnte es auch anders sein, unversöhnliche Positionen ans Tageslicht bringen. Sowohl der 200. Todestag von Napoleon ist Anlass für kontroverse Diskussionen zur historischen Figur Napoleon Bonapartes, als auch der 40. Jahrestag des Wahlerfolgs von François Mitterrand, der 1981 die französische Gesellschaft nachhaltig verändern sollte. Doch beide historischen Figuren, die in unterschiedlichen Epochen die Geschicke Frankreichs lenkten, eignen sich nur bedingt als nationale Integrationsfiguren.

Napoleon Bonaparte ist natürlich ein Nationalheld. Der Mann hat Spuren hinterlassen, der unterschiedlichsten Art. Wie den „Code Civil“, das Bürgerliche Gesetzbuch, das heute noch Grundlage für viele Gesetze in vielen Ländern ist, in denen das 1804 verabschiedete Gesetzbuch Gültigkeit hatte. Ein Meisterwerk, das den entscheidenden Schritt vom Gewohnheitsrecht zu einem einheitlichen Rechtssystem darstellt. Aber es gab mehrere Napoleons. Es gab den „Bürger Bonaparte“ und den „Kaiser Napoleon“. Und anderswo erinnert man sich auch an Napoleon Bonaparte. Oder zumindest an die blutige Spur, die der Feldherr jahrelang quer durch Europa zog. Die Gesamtbilanz des Nationaldenkmals bleibt in Frankreich aber auf jeden Fall positiv. Nur – für Heldenverehrungen, wie sie Präsident Macron gerade inszeniert, ist das irgendwie aus dem Zeitrahmen gefallen.

Und die 40 Jahre des Beginns der Präsidentschaft von François Mitterrand? Käme jemand in Deutschland auf die Idee, die 40 Jahre des Beginns der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt zu feiern? Natürlich nicht. Der Wahlsieg des Sozialisten Mitterrand 1981 war der Generationsbruch; auf eine Art beendete dieser Wahlsieg die unmittelbare Nachkriegszeit. Die gesellschaftlichen Umbrüche waren enorm, es wehte ein frischer Wind durch Frankreich, ein unglaublicher Optimismus machte sich breit, es herrschte ein gesellschaftlicher Konsens, dass nun alles besser würde.

Viele Franzosen erinnern sich in diesen Tagen an den damaligen Wahlkampf und die Verkündung des Ergebnisses. Diese Erinnerung ist durchweg positiv besetzt. Und viele Franzosen würden sich gerade jetzt einen ruhigen und souveränen Staatenlenker wie François Mitterrand am Ruder wünschen und diese damalige Aufbruchstimmung noch einmal erleben. Am liebsten jetzt. Aber eignet sich François Mitterrand deswegen zum Nationalhelden?

Auch die Person von François Mitterrand hatte Ecken und Kanten. Ob es seine Mitwirkung an der Vichy-Regierung war (von der aus sich Mitterrand dem Widerstand anschloss), seine jahrelang verheimlichte uneheliche Tochter oder auch die Bilanz der Sozialisten nach ihrer Regierungszeit – hinter dem Namen Mitterrand steht das eine oder andere Fragezeichen. Als Nationalheld also auch nicht richtig geeignet.

Und so bleibt den Franzosen momentan nur einer, der sich selbst als Nationalheld mit göttlichen Eingebungen feiert – Präsident Macron. Allerdings feiert er momentan ziemlich alleine, denn seine Amtszeit gehört zu den schlimmsten Phasen der V. Republik, nicht nur wegen der Pandemie.

Doch was erklärt diese Suche nach neuen Superhelden? Vielleicht liegt die Begründung in der französischen Geschichte selbst. Häufig, wenn die Situation aussichtslos erschien, tauchte in der französischen Geschichte ein solcher Superheld auf und löste Probleme. Nicht immer nachhaltig, nicht immer wirksam, aber immerhin. Und so wartet Frankreich heute auf eine Jeanne d’Arc, die mit einer Lösung für die Pandemie, die sozialen Spannungen und eine bessere Zukunft antritt. Schade ist nur, dass dies nicht geschehen wird. Aus der Krise muss uns das Personal herausführen, das wir gerade haben. Und hier sind „Superhelden“ leider Mangelware…

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