Frankreich taumelt immer weiter in Richtung rechtsaußen

Die Umfragen zu den französischen Regionalwahlen im Dezember sprechen eine eindeutige Sprache – der rechtsextreme Front National ist momentan die stärkste Partei Frankreichs. Beunruhigend.

Sie will Frankreich aus der EU und aus dem Euro führen und liegt momentan in den Umfragen deutlich vorne - Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Im Dezember wählen die Franzosen zum ersten Mal ihre Regionalregierungen, die man in etwa mit den Landtagswahlen in Deutschland vergleichen könnte. Dies ist der Auftakt zur von vielen kritisierten Gebietsreform, in deren Rahmen die Anzahl der französischen Regionen von 22 auf 13 reduziert wird. Ziel dieser Gebietsreform ist es, die Effizienz der schwerfälligen französischen Verwaltungen zu steigern, dadurch Kosten zu sparen und die französische Verwaltung zu modernisieren. Abgesehen davon, dass die Ausgestaltung dieser Reform so ist, dass genau das Gegenteil passieren könnte, sind diese Regionalwahlen der Moment, in dem Frankreich „aus Versehen“ ganz weit nach rechts kippen könnte. Die Umfragen deuten momentan darauf hin, dass der rechtsextreme Front National gute Chancen hat, mehrere der neuen „Superregionen“ zu übernehmen – im ersten Wahlgang dürfte die Formation von Marine Le Pen sogar landesweit die stärkste Kraft werden. Für die aktuell in 21 von 22 Regionen und auf nationaler Ebene regierenden Sozialisten könnte diese Wahl der Anfang vom Ende sein.

Nein, die Franzosen haben keine faschistoiden Tendenzen – der Erfolg von Marine Le Pen und ihrem Front National ist in erster Linie der unglaublichen Regierungsschwäche der sozialistischen PS und der ebenso schwachen Vorstellung der konservativen Opposition, der auch die Umbenennung von „UMP“ in „Les Républicains“ nicht viel genutzt hat, zu verdanken. Angesichts der politischen Alternativen, die sich den Franzosen bieten, kann es passieren, dass die Franzosen eine rechtsextreme Partei an die Macht spülen, obwohl das Land im Grunde überhaupt nicht rechtsextrem eingestellt ist.

In zwei der 13 „Superregionen“ hat der Front National realistische Chancen, die Regierung zu übernehmen. Zum einen in der Region Nord-Pas de Calais-Picardie, wo die Parteichefin selbst antritt und wo ihr im ersten Wahlgang sensationelle 42 % der Stimmen prognostiziert werden. Der Kandidat der „Republikaner“ Xavier Bertrand kommt nur auf 25 % der Stimmen, während der Sozialist Pierre de Saintignon gerade einmal 15 % der Stimmen erreichen könnte. Aufgrund des französischen Wahlgesetzes würden sich alle drei Kandidaten auch in der eine Woche später stattfindenden Stichwahl halten können und auch hier würde Marine Le Pen mit 46 % vorne liegen. Da eine Wahlallianz zwischen den konservativen „Republikanern“ und der PS für den zweiten Wahlgang ausgeschlossen ist, dürfte Marine Le Pen diese Region tatsächlich für sich erobern können, was für sie der ideale Auftakt für die Kampagne zu den Präsidentschaftswahlen 2017 wäre.

Ähnlich, wenn auch knapper, sieht es in der Region PACA (Provence-Alpes-Côte d’Azur) im Süden Frankreichs aus. Hier tritt die dritte Generation der Familie Le Pen in Person der jungen Marion Maréchal-Le Pen an – und liegt ebenfalls in den Umfragen vorne. Im ersten Wahlgang würde sie 36 % der Stimmen erhalten, während ihr schärfster Konkurrent, Christian Estrosi (Bürgermeister von Nizza, „Les Républicains“) bei 32 % landen würde. Der sozialistische Kandidat Christophe Castaner käme im ersten Wahlgang nicht über 16 % der Stimmen hinaus und auch für den zweiten Wahlgang sagen die Umfragen im Moment einen Sieg der rechtsextremen Kandidatin voraus. Christian Estrosi würde wohl im zweiten Wahlgang seinen Stimmenanteil kaum erhöhen können, während der sozialistische Kandidat selbst mit Unterstützung der in dieser Region relativ starken Grünen (EELV) nicht über 27 % hinaus käme.

Auch in der neuen ostfranzösischen Großregion Alsace-Lorraine-Champagne-Ardennes legen die Rechtsextremen deutlich zu. Im ersten Wahlgang würde die Liste des Präsidenten der Region Elsass Philippe Richert („Les Républicains“) auf 31 % der Stimmen kommen, dicht gefolgt vom rechtsextremen Florian Philippot (30 %) und dem sozialistischen Präsidenten der Region Lothringen, Jean-Pierre Masseret (19 %). Für den zweiten und entscheidenden Wahlgang sehen die Umfragen den Elsässer Philippe Richert vorne (mit 37 % im zweiten Wahlgang), während der Front National mit seinem FN-Schwergewicht Philippot auf 33 % käme, während der Sozialist Masseret mit der Unterstützung verschiedener „linker“ Gruppierungen auf 30 % käme. Wenn man aber die Ungenauigkeit von Umfragen in den letzten Jahren anschaut, dann ist klar, dass die Wahl auch in der neuen französischen Großregion alles andere als im Vorfeld entschieden ist – auch die neue „Superregion“ im Osten Frankreichs könnte dem rechtsextremen Front National in die Hände fallen. Interessant ist in dieser Region ebenfalls, dass die Autonomisten-Partei „Unser Land“, die sich gerne als Sprachrohr einer „Volksbewegung“ präsentiert, gerade mal auf 3 % der Stimmen kommt – was diese Partei eher als „Splittergruppe“ denn als „Volksbewegung“ aussehen lässt.

Die Umfragen für die Regionalwahlen sind beunruhigend, vor allem, wenn man die europafeindlichen Aussagen von Parteichefin Marine Le Pen bedenkt. Ihr peinlicher Auftritt im Europäischen Parlament in Straßburg, als sie Präsident Hollande als „deutschen Vize-Kanzler“ betitelte und Bundeskanzlerin Merkel beschimpfte, lässt erahnen, welchen Weg Frankreich einschlagen wird, sollte der Front National mit Marine Le Pen tatsächlich „aus Versehen“ an die Macht kommen. Wie eingangs gesagt – dies ist nicht etwa der Ausdruck des Umstands, dass die Franzosen in ihrer Mehrheit plötzlich zu Neofaschisten geworden wären, sondern der unglaublichen Schwäche der früheren „Volksparteien“ geschuldet, die inzwischen allen Kredit bei den Wählerinnen und Wählern verspielt haben. Wenn man die Situation realistisch betrachtet, haben weder die „Republikaner“ noch die Sozialisten noch Zeit, an dieser Entwicklung etwas zu ändern – sie waren viel zu sehr mit sich selbst, dem Verteilen von Pöstchen und dem Umgang mit ihren zahllosen Skandalen beschäftigt und haben diese Entwicklung schlicht und ergreifend unterschätzt.

Jetzt bleibt den Parteien nicht viel mehr als zuzuschauen, wie Frankreich schrittweise einer politischen Formation in die Hände fällt, die in Frankreich selbst, aber auch in Europa, enorm viel Schaden anrichten kann, will und würde. Ob die französischen Wählerinnen und Wähler dies noch rechtzeitig erkennen?

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