Frankreich und Deutschland schalten einen Gang hoch

Nein, nicht Angela Merkel und Emmanuel Macron versuchen den deutsch-französischen Motor wieder anzuwerfen, sondern ihre Außenminister Heiko Maas und Jean-Yves Le Drian.

Da braucht's den grossen Schlüssel - Heiko Maas (mit Jean-Yves Le Drian) versuchen, den stotternden deutsch-französischen Motor zu reparieren. Foto: US Navy photo by Mass Communication Specialist Seaman Terry Godette / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Man muss kein Nobelpreisträger sein um zu sehen, dass die deutsch-französischen Beziehungen auf der Ebene der hohen Politik fast zum Stillstand gekommen sind. Während auf regionaler und lokaler Ebene weiter munter und erfolgreich am „europäischen Motor“ gearbeitet wird, sind die Beziehungen zwischen einer müden Angela Merkel und einem innenpolitisch gestressten Emmanuel Macron auf der Temperatur des Gefrierfachs angekommen. Mitten hinein in diese deutsch-französische, oder vielmehr Paris und Berlin betreffende Tristesse, platzt ein Positionspapier der beiden Außenminister Heiko Maas und Jean-Yves Le Drian. Ein Papier, dass etliche Dinge anregt, mit denen Europa wieder in die Gänge kommen soll.

Die beiden wollen die deutsch-französischen Beziehungen stärken, um die in den Dienst der europäischen Entwicklung zu stellen. Das klingt jetzt ungefähr so spannend wie die Frage, ob man Komposthaufen zu 90 oder zu 100 % mit organischem Abfall managen soll. Doch was zunächst wie das übliche Blabla klingt, entpuppt sich dann als sehr ambitionierter Plan, gespickt mit konkreten Vorschlägen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung kommt nicht von ungefähr – mitten hinein in die Verhandlungen um die 5 Spitzenposten der EU melden Paris und Berlin unverhohlen einen europäischen Führungsanspruch an. Da sich dieser an Europa betreffenden Fragen orientiert, beruhigt das Papier all diejenigen, die solche Positionen als Aufforderung zu einem deutsch-französischen „unfriendly take over“ Europas interpretieren könnten, indem als Zielsetzung ein Europa der breiten Brust angemeldet wird. Inklusive einer Abwehrstrategie für die ihrerseits unfreundlichen Pläne und Strafzölle seitens der USA von Donald Trump.

Was genau fordern die beiden Außenminister? Damit sich Europa souveräner und stärker aufstellen kann, fordern Le Drian und Maas zunächst voneinander, in der Konsequenz aber auch von den anderen EU-Mitgliedsstaaten, eine „hohe Kompromissbereitschaft“ ein. Konkret soll das bedeuten, dass wenn es im Europäischen Rat bei Entscheidungen zur Außenpolitik keine Einstimmigkeit gibt, diejenigen Länder, die eine Mehrheitsentscheidung nicht mittragen wollen, etwas ganz Neues anwenden – die „konstruktive Enthaltung“. Es wäre zwar einfacher, man würde die dauerlähmende Einstimmigkeit bei EU-Entscheidungen endlich durch Mehrheitsentscheidungen ersetzen, aber gut. Dazu wollen Le Drian und Maas ein Blockadeverhalten von Mitgliedsstaaten „politisch teuer“ werden lassen.

Wie ein solche Kompromiss aussehen soll, erklären die beiden mit einem deutsch-französischen Kompromiss. Deutschland wird akzeptieren, sich militärisch stärker an der Seite Frankreichs in Afrika zu engagieren, während Frankreich im Gegenzug die neue EU-Ostpolitik unterstützen wird. Ein wenig schade ist es, dass die Gebiete, in denen man sich schnell verständigt, häufig mit Krieg, den Finanzmärkten und anderen Interessenfeldern der Industrie zu tun haben, aber es ist besser, überhaupt erst einmal mit der Wiederbelebung des europäischen Projekts zu beginnen.

Dann allerdings driftet das Papier in eine Orgie des Politikersprechs ab. Maas und Le Drian fordern Instrumente, um „exterritoriale Sanktionen von Drittstaaten abzuwehren“ und führen als Beispiel „Instex“ an. Wie bitte? Hier die Übersetzung: „Instex“ ist ein Abwicklungskanal, über den europäische Firmen weiterhin Geschäfte mit dem Iran machen können, gegen den die USA Sanktionen verhängt haben. Es handelt sich also um ein Instrument, mit dem man Sanktionen umgehen kann. Genau das meinen Maas und Le Drian mit „exterritoriale Sanktionen von Drittstaaten abwehren“. Und so wollen sich Deutschland und Frankreich gegen alle Supermächte und deren Sanktionen und Strafzölle zur Wehr setzen, gegen die USA, aber auch China und Russland.

Und, klar, man will Freihandelsabkommen mit den Briten aushandeln, die Eurozone stärken und eine „Friedensfazilität“ einrichten. Hinter diesem sperrigen Begriff versteckt sich das englische Original „Peace facility“ und diese wiederum soll afrikanische Regierungen mit militärischen Trainingseinheiten beglücken. Wenn man bedenkt, mit welchen Diktatoren und Tyrannen die EU beispielsweise in Ostafrika, aber auch anderswo kooperiert, ist die Vorstellung, dass Europa diese auch noch militärisch aufrüstet ein großer Glücksmoment…

Doch das wohl Wichtigste an diesem Positionspapier ist es, dass Deutschland und Frankreich genau jetzt ihren Führungsanspruch anmelden. Offenbar haben die deutschen und die französischen Politiker die Nachricht der europäischen Wählerinnen und Wähler vom 26. Mai in den falschen Hals bekommen. Europa muss künftig kollegial und solidarisch von der Gemeinschaft der europäischen Völker gemanagt werden – Dinge wie ein deutsch-französischer Führungsanspruch, das ist die Politik von gestern und vorgestern. Die Europäische Union besteht auf 27 Ländern (rechnen wir schon mal die Briten heraus) und nicht etwa aus 2 Ländern, die den Ton angeben, den die anderen nur noch abnicken dürfen. Es wird höchste Zeit für ein neues europäisches Projekt.

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