Frankreich versinkt in einer Welle juveniler Gewalt

Gewalt durch Jugendliche ist kein neues Phänomen. Doch in Frankreich nimmt die jugendliche Gewalt neue, in dieser Form unbekannte Ausmaße an.

Kein Kind sollte Angst haben müssen, in die Schule zu gehen. In Frankreich ist das momentan aber der Fall. Foto: U.S. Department of Defence / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Ganz Frankreich atmet auf, weil gestern eine 12tägige Schulferienzeit begonnen hat und die braucht Frankreich auch. Nicht so sehr, damit sich Schüler und Lehrer erholen können, sondern damit sich die Behörden Wege einfallen lassen können, wie das jugendliche Töten in und um Schulen herum gestoppt werden kann. Denn das findet momentan fast täglich in Frankreich statt, wobei die Täter jung sind, sehr jung, in einigen Fällen sogar noch strafunmündig.

So genannte „Ehrenmorde“, Messerangriffe in Schulen, Tötung von Erwachsenen und Kindern, Morddrohungen gegen Lehrer, Mitschüler und Schulleiter – die juvenile Gewalt an Frankreichs Schulen wird zum täglichen Phänomen, vor dem das ganze Land hilflos steht. Gewiss, solche traurigen Ereignisse gibt es überall, wie Amokläufe in den USA, in Deutschland oder anderswo, doch nicht in dem Ausmaß, wie es gerade über Frankreich hereinbricht.

Die Anzahl dieser Fälle ist zu groß, um sie hier aufzuzählen. Die Schule ist in Frankreich kein sicherer, behüteter Ort mehr, sondern inzwischen ein Lebensraum für Kinder und Jugendliche (und die Pädagogen), an dem man ständig darauf gefasst sein muss, dass etwas passiert. Und das kann und darf nicht so weitergehen.

Dabei ist dieses Gewaltphänomen nicht etwa auf die Großstädte und deren „Problemviertel“ beschränkt. Bis hin in die letzte Kleinstadt oder selbst Dörfer pflanzt sich die tödliche Gewalt durch, wie diese Woche im Dörfchen Souffelweyersheim bei Straßburg, wo ein Wahnsinniger mit einem Messer auf zwei sechsjährige Mädchen einstach, die beide glücklicherweise überlebten, doch während des unmittelbar folgenden Lockdowns in benachbarten Schulen, erlitt ein 14jähriges Mädchen aufgrund des Stresses einen Herzinfarkt, dem es am nächsten Tag erlag.

Täglich finden in Frankreich „Weiße Märsche“, also Trauermärsche statt, bei denen fassungslose Familienangehörige, Freunde, Bekannte und Mitschüler versuchen, mit der Trauer und der Angst umzugehen, doch selbst diese Trauerrituale sind inzwischen so häufig, dass sie nur noch zur Kenntnis genommen werden.

12 Tage Schulferien und in diesen nicht einmal zwei Wochen wird man Wege finden müssen, wie man die Schule als Lebensraum wieder sicher machen kann. Doch wo kann man ansetzen? Wie kann man solche Tötungsdelikte durch Jugendliche verhindern? Fakt ist, dass die Gewaltschwelle, bis hin zu tödlicher Gewalt, bei Jugendlichen und Kindern enorm gesunken ist. Ob es daran liegt, dass auch Kinder und Jugendlichen in den Medien, die sie konsumieren, rund um die Uhr mit Krieg und Gewalt konfrontiert sind, und dazu mit der unterschwelligen Mitteilung, dass man Konflikte nur noch mit Gewalt und Waffen lösen kann? Es wäre vermessen zu glauben, dass diese inzwischen allgegenwärtige Gewalt und ihre Darstellung an Kindern und Jugendlichen spurlos vorübergeht.

Ob Sicherheitsvorkehrungen wie in den USA eine Lösung sein können? Viele dieser Vorkehrungen gibt es inzwischen auch an den Schulen in Europa und in Frankreich und selbst in den USA können Wachpersonal und Metalldetektoren an den Eingangstüren der Schulen Amokläufe nicht verhindern.

12 Tage sind eine kurze Zeit, um ein solches Problem auch nur angehen zu können. Doch die Vorstellung, dass diese Tötungsdelikte nach den Ferien wieder aufflammen können, muss für alle französischen Eltern von schulpflichtigen Kindern Albträume bescheren. Dass etwas geschehen muss, ist klar. Doch was getan werden kann, da hat noch niemand eine zündende Idee gehabt.

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