Frankreich wird jetzt von einer Boy Band regiert

Präsident Macron hat den Nachfolger für die zurückgetretene Ministerpräsidentin Elisabeth Borne bestimmt – der 34jährige Gabriel Attal tritt nun ein Amt an, das am Ende seine politische Karriere stoppen könnte.

Ob sein neuer Job nicht eine Nummer zu groß für den 34jährigen Gabriel Attal ist? Foto: Antoine Lamielle / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – „Sunnyboy“ Gabriel Attal hat alles in die Wiege gelegt bekommen, was man braucht, um in Frankreich erfolgreich zu sein. In eine reiche Familie geboren, bereits mit 16 Jahren Stadtrat in seiner Heimatstadt Vanves, dann die besten Schulen Frankreichs in Paris, dann, nach dem Wechsel, den damals viele Karrieristen von der PS zur Macronie vollzogen hatten, der direkte Einstieg in einen Regierungsjob, zunächst als Pressesprecher, dann auf verschiedenen Ministerposten, zuletzt als Bildungsminister. Dazu ist er offen homosexuell und damit interessant für die LGBTxxx-Community und mit seinen 34 Jahren hat er nie arbeiten müssen und kennt folglich auch das tägliche Leben und die Sorgen seiner Landsleute nicht, deren Schicksal er nun leiten soll. Ein Mann ganz nach dem Geschmack von Emmanuel Macron.

Doch das „Geschenk“, das Macron seinem Zögling Attal nun gemacht hat, ist ein Danäer-Geschenk, das sich für den smarten Attal als ein Eigentor entpuppen könnte. Denn Macron braucht keinen „Regierungschef“, sondern einen Erfüllungsgehilfen, der die Entscheidungen seines Präsidenten ohne Wenn und Aber umsetzt. Regieren wird Attal sicherlich nicht, dazu hat er gar keinen Handlungsspielraum in der französischen Präsidial-Monarchie. Aber er wird jede Menge Verantwortung tragen, in allererster Linie für den reibungslosen Ablauf der Olympischen Spiele in Paris, die von Macron erst vorgestern zur „großen nationalen Sache“ für dieses Jahr deklariert hat.

Was immer bei diesen Olympischen Spielen passiert, die sich bereits jetzt als riesiger Flopp für Frankreichs Image in der Welt ankündigen und eher an Peking oder Sotchi als an fröhliche Olympische Spiele denken lassen – Attal wird die Verantwortung tragen. Und auch für die vielen anderen Dinge, die in der Schlußphase der Macronie passieren werden, die nach den Olympischen Spielen nicht viel mehr machen kann, als die Machtübergabe an die Rechtsextremen vorzubereiten. Da deutet nun vieles darauf hin, dass Gabriel Attal seinen neuen Posten im Hôtel Matignon nicht allzu lange innehaben wird und was immer er politisch danach vorhat, wird ihm der lange Schatten von Emmanuel Macron folgen und weitere Karriereschritte erschweren oder gar verhindern.

Ein jungscher Präsident, ein jungscher Ministerpräsident, da fragt man sich durchaus, was das soll. Attal, der bereits als Regierungssprecher auffiel, weil er versuchte, den erwachsenen Franzosen die Welt und das Leben zu erklären, bringt für seinen neuen Posten nicht viel mehr Erfahrung mit als diejenige des Überläufers von der PS zur Macronie mit, in der (sich nun erfüllten) Hoffnung, in einer neuen politischen Bewegung schneller Karriere machen zu können.

Doch der Aufstieg von Gabriel Attal erinnert ein wenig an die Sage von Ikarus und Daedalus – es könnte gut passieren, dass sich Attal die Flügel verbrennt und dann heftig abstürzt. Denn 2024 ist, anders als Präsident Macron sich das wünscht, nicht nur das Jahr der Olympischen Spiele, sondern es wird ein Kriegsjahr werden, es wird das Jahr werden, in dem die Rechtsextremen das Europäische Parlament übernehmen und es wird erneut ein Jahr der sozialen Spannungen in Frankreich werden. Für all das wird Attal den Kopf hinhalten müssen, denn wenn es politisch eng wird, blendet sich sein Chef in der Regel aus und begibt sich auf prunkvolle Auslandsreisen. Wie der im echten Leben völlig unerfahrene Attal das managen will, ist fraglich.

Die Macronie ist am Ende, auch wenn ihr präsidiales Mandat bis 2027 geht. Im Parlament hat die Macron-Partei bereits heute keine Mehrheit mehr und es wird unter anderem die Aufgabe von Gabriel Attal werden, für alle Sachthemen, die nicht unter Umgehung des Parlaments entschieden werden (wie 23 Mal unter seiner Vorgängerin Elisabeth Borne), Mehrheiten im Parlament zu organisieren. Doch das dürfte künftig immer schwieriger werden und Attal ist nicht unbedingt ein „Vermittler“.

Ob Macron tatsächlich bis 2027 im Amt bleibt oder vorher zu Neuwahlen bittet, das weiß auch niemand. Auch in einem solchen Fall würde Gabriel Attal zu den Verlierern zählen und alles in allem ist seine Ernennung eigentlich nur ein geschickter Schachzug seines Chefs, der nun einen neuen Sündenbock für seine eigenen Verfehlungen ernannt hat, der aber umgekehrt und trotz seines hochtrabenden Titels in der französischen Politik nicht viel zu sagen haben wird. Ob Gabriel Attal wohl wie einer seiner Vorgänger, Edouard Philippe, in diesem Amt frühzeitig graue Haare bekommen wird?

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