Frankreichs Adventskrise

Die „Gelben Westen“ sind dabei Frankreich zu spalten. Enttäuschte Bürgerinnen und Bürger bieten allen möglichen Extremisten eine Plattform. Der Winter wird heiß in Frankreich...

Die "friedlichen" Demonstranten, die für eine bessere Welt kämpfen. Und die Beifall klatschen, wenn es brennt... Foto: ScS EJ

(KL) – Eines haben die „Gelben Westen“ („gilets jaunes“) in Frankreich geschafft – sie haben das Land gespalten. Die einen lehnen die höchst zweifelhaften Methoden dieser diffusen, in sich aber bereits schwächelnden „Bewegung“ rundweg ab, die anderen bemühen sich, die „Gelben Westen“ als legitimen Ausdruck des Volkszorns zu rechtfertigen, was allerdings angesichts einer Bilanz von bisher 2 Toten, rund 800 Verletzten und vielen Festnahmen eher verzweifelt als argumentiert klingt. Nachdem ein Teil der Demonstranten am Samstag in Paris die Champs-Elysées in ein Schlachtfeld verwandelt hatten, darf man nun gespannt sein, wie es weitergeht. Währenddessen übt sich Präsident Macron darin; wie sein Kollege Donald Trump sein Land per Twitter zu regieren.

„Das ist nur eine Handvoll Chaoten!“, liest man in den Sozialen Netzwerken, „die „Gelben Westen“ sind eine friedliche Bewegung armer Menschen, die einfach die Schnauze voll haben.“ Na ja, von den „friedlichen armen Menschen“ war am Samstag in Paris nicht viel zu sehen – niemand unternahm auch nur den Versuch, die Rechts- und Linksextremisten zu stoppen, die nach Paris gekommen waren, um Dampf abzulassen.

Die „friedliche Bewegung“, die seit über einer Woche die Franzosen im Straßenverkehr behindert, ist alles andere als einfach nur nett. An den Blockaden auf Autobahnen und Landstraßen führen sich selbst ernannte Kontrolleure auf wie Milizionäre, es kommt zu Übergriffen auf Journalisten (wie die „Pegida“ haben auch die „Gelben Westen“ die Presse als „Lügenpresse“ zum Feindbild abgestempelt) und angesichts der immer diffuser werdenden Forderungen der Demonstranten muss man sich fragen, wer hier eigentlich was erreichen möchte.

Doch für eine „Französische Revolution 2.0“ wird es nicht reichen. Dazu fehlt den Demonstranten ein gemeinsames Ziel. Die einen wollen Barrikaden anzünden, die anderen wollen die Benzinpreise gesenkt werden und alles mündet in der Forderung „Macron démission“ – Macron trete zurück.

Der Präsident, der seit Ausbruch dieser Unruhen quer durch Europa reist, im Ausland seine berühmten Europa-Reden hält, für die er in der internationalen Presse nur noch ein müdes Lächeln erntet, ist der große Abwesende in dieser Situation, die gerade völlig aus dem Ruder läuft. Ebenso wie Donald Trump beschränkt sich Macron darauf, die Tagesaktualität in Frankreich per Twitter zu kommentieren, doch so kann man ein Land in Unruhe auch nicht regieren.

In dieser Gemengelage gibt es nur zwei Gewinner: Das „Rassemblement National“, also die Rechtsextremen des umgetauften Front National und die Linksextremen von „La France Insoumise“, die beide alles daran setzen, die Unruhe weiter zu schüren. Seltsam ist allerdings, dass diese „Bewegung“ von allen bürgerlichen Oppositionsparteien mit Verständnis überschüttet wird – Les Républicains, die PS, die Zentrumsparteien, alle haben ihre Sympathien mit dieser „Bewegung“ bekundet und hatten am Sonntagmorgen große Schwierigkeiten, diese Sympathien angesichts der Bilder aus Paris zu begründen.

Frankreich redet sich gerade selbst hinein in eine Krise, aus der es nur wenig Auswege geben wird. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen Unzufriedener, angestachelt von Extremisten aller Couleur, sucht die Auseinandersetzung mit einer Regierung, deren Verhalten gelinde gesagt amateurhaft ist. Der Ton wird sich weiter verschärfen, es wird weitere Todesopfer und Verletzte geben und wenn die Regierung nicht aufpasst, kann sich dieser diffuse Protest tatsächlich in einen offenen Konflikt zwischen Volk und Regierung verwandeln. Bei einem solchen Konflikt wird es keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben. Da sei die Frage gestattet, ob es das ist, was die Demonstranten und die Regierung wollen. Wenn nicht, wäre es vielleicht an der Zeit anders miteinander umzugehen, bevor es am 1. Dezember in Paris wieder zu Straßenschlachten kommen wird. Frankreich muss sich auf eine heiße Adventszeit einstellen…

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