Frankreichs Linke macht sich überflüssig

Der Wahlkampf für die anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ist in vollem Gange. Nur Frankreichs Linke beschäftigt sich lieber mit sich selbst als mit dem politischen Gegner.

Die selbsternannte PS-Kandidatin Anne Hidalgo gehört zu denen, die ihre persönlichen Ambitionen über die Interessen des Landes stellen. Foto: Global Climate Action Summit, Nikki Ritcher Photography / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Es ist schon unglaublich, wie weit entfernt von den Realitäten Frankreichs die verschiedenen Gruppierungen der französischen Linken unterwegs sind. Während sich die rechten Kandidaten Emmanuel Macron, Valérie Pécresse, Marine Le Pen und Eric Zemmour bereits heftige Duelle liefern, streiten sich die linken Parteien, beziehungsweise das, was von ihnen übrig geblieben ist, wer nun die wahre linke Ideologie vertritt und wer denn nun zu den Wahlen antreten soll. Da aber sämtliche Kandidaten und Kandidatinnen mit einem überdimensionierten Ego unterwegs sind, werden sie am Ende wohl alle antreten und dann Ergebnisse einfahren, die man ansonsten nur von wirren Splittergruppen kennt.

In den Umfragen, die wie immer mit Vorsicht zu genießen sind, kommt der stärkste linke Kandidat, Jean-Luc Mélenchon auf 9 bis 11 % der Stimmen, der Grüne Yannick Jadot auf 6 bis 8 % (wobei es in Frankreich, ebenso wie in Deutschland, schwierig ist, die Grünen als „linke“ Partei einzustufen), die beiden sozialistischen Kandidatinnen Anne Hidalgo und Christine Taubira liegen irgendwo zwischen 2 und 4 % und die weiteren „linken“ Kandidaten dümpeln im politischen Niemandsland unter 2 % vor sich hin.

Nicht einmal auf die Frage, ob es eine Vorwahl zur Festlegung des oder der linken Kandidaten oder Kandidatin geben soll, können sich die verschiedenen Parteien einigen. Diejenigen, die anfangs eine solche „Primaire“ wollten, haben plötzlich keine Lust mehr darauf, und diejenigen, die anfangs dagegen waren, wollen nun doch eine Vorwahl haben. Das, was Frankreichs Linke gerade veranstaltet, ist politisch geradezu lächerlich.

Dass Frankreich gerade einen politische Ruck nach Rechtsaußen erlebt, verdankt das Land auch und gerade den linken Parteien. Wenn man bedenkt, dass es gerade mal 5 Jahre her ist, dass die sozialistische PS den Präsidenten, die Mehrheit in Parlament und Senat und in fast allen Regionalparlamenten gestellt hat, ist es schon unglaublich, dass die Partei jetzt deutlich unter 5 % liegt. Doch die „Schlacht der überdimensionierten Egos“ nützt nur den Rechtsextremen. Doch ist das nicht neu, die Nabelschau der Linken dauert in Frankreich bereits seit mehr als 20 Jahren an.

Das linke Wählerpotential Frankreichs hatte auch auf den Grünen Yannick Jadot gehofft, nachdem die Grünen im letzten Jahr bei den Kommunalwahlen in 6 der 10 größten französischen Städte die OB-Sessel erobert hatten. Dass Yannick Jadot nun zwischen 6 und 8 % festhängt, ist bereits eine erste Rückmeldung auf die Politik, die nun in diesen Städten geführt wird.

Dass ausgerechnet der höchst seltsame Jean-Luc Mélenchon der momentan stärkste „linke“ Kandidat ist, der in den Umfragen zwischen 9 und 11 % kommt, spricht ebenfalls Bände. Realistischerweise muss man sagen, dass kein linker Kandidat eine realistische Chance hat, bei der Präsidentschaftswahl in die Stichwahl zu kommen – das Rennen werden die rechten und rechtsextremen Kräfte untereinander ausmachen.

Doch der Mangel an einer realistischen Wirkklichkeitswahrnehmung hindert die linken Gruppen und Grüppchen daran, die Präsidentschaftswahlen abzuhaken und sich auf die Parlamentswahlen zu konzentrieren, bei denen sie mit einem guten Programm durchaus ein Gegengewicht zur Formation des oder der künftigen Präsidenten oder Präsidentin bilden könnten. Dadurch, dass sich jetzt die letzten „Fähnlein der Aufrechten“ chancenlos bei den Präsidentschaftswahlen aufreiben, wird auch dazu führen, dass sie bei den Parlamentswahlen ebenso katastrophal abschneiden werden.

Dass Frankreich nun immer rechtsextremer wird, liegt am fehlenden politischen Angebot von links und aus der Mitte. Auch, wenn die Franzosen nicht über Nacht kollektiv zu Rechtsextremen geworden sind, stehen die Chancen hoch, dass der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin aus diesem Lager kommen wird. Doch wenn Frankreichs Linke in den letzten 20 Jahren nicht begriffen hat, wer ihr politischer Gegner ist, dann hat sie es eigentlich auch nicht verdient, als Akteur am politischen Geschehen des Landes teilzunehmen. Traurig ist es dennoch zuzuschauen, wie Frankreichs Linke implodiert und in der politischen Bedeutungslosigkeit versinkt.

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