Frankreichs Linke rauft sich zusammen

Angesichts des starken Rechtsrucks in Frankreich bildet sich gerade ein „linker Block“, der gemeinsam bei der Parlamentswahl im Juni antreten will. Mit einem interessanten Programm.

Es sieht so aus, als könnte Jean-Luc Mélenchon tatsächlich die französische Linke einen. Foto: Cancilleria Ecuador from Ecuador / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Eigentlich hatte das niemand für möglich gehalten: Bei den kommenden Parlamentswahlen in Frankreich am 12. und 19. Juni werden die Franzosen eine echte Wahl zwischen verschiedenen Gesellschaftsmodellen haben. Denn zum ersten Mal seit 20 Jahren hat die französische Linke begriffen, dass die ständige Auseinandersetzung zu der Frage, wer die „wahre“ linke Ideologie vertritt, diesen Rechtsruck überhaupt erst ermöglicht hat, da die linken Parteien in diesen Jahrzehnten nicht etwa den politischen Gegner bekämpft, sondern sich gegenseitig zerfleischt haben. Am Sonntag wurde ein erstes Positionspapier veröffentlicht, das zwischen der „La France Insoumise“ (LFI) von Jean-Luc Mélenchon und den Grünen (EELV) erarbeitet wurde und das tatsächlich viele Punkte enthält, mit denen man nicht unbedingt rechnen konnte. Dieser „linke Block“ tritt mit einem echten Alternativprogramm zur Alleinherrschaft von Emmanuel Macron und dem Neonationalismus der Rechtsextremen an. Und plötzlich wird diese Wahl richtig interessant.

Dieser „linke Block“ besteht bereits aus drei Gruppierungen. LFI, die im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl auf 22 % der Stimmen kam, die Grünen, die knapp unter 5 % blieben und die kleine Partei „Génération.s“. Bei dieser Entwicklung muss auch die frühere sozialistische Regierungspartei PS einlenken, nachdem sie zunächst die Verhandlungen ausgesetzt und „Sicherheiten“ verlangt hatte. Doch angesichts der 1,7 % der PS-Kandidatin Anne Hidalgo muss die PS einsehen, dass es nicht mehr sie ist, die im linken Spektrum den Ton angibt. Doch bei der überraschenden Dynamik der französischen Linken, die ihr viele nach den letzten zwei Jahrzehnten nicht mehr zugetraut hatten, wird auch die PS in diesen „linken Block“ einsteigen, ebenso wie andere linke Gruppierungen.

Programmatisch überrascht dieser „linke Block“, dessen Name noch nicht festgelegt wurde. Wer bei den Linken die gleiche Europa-Feindlichkeit wie bei den Rechten vermutet hatte, sieht sich getäuscht. Es wird nicht etwa der „Frexit“ angestrebt wie bei den Rechtsextremen, sondern ein „Ungehorsam“ gegenüber einer EU-Politik, die sich in erster Linie als Erfüllungsgehilfe der Finanzmärkte und der Großindustrie begreift. Die Absicht, die EU sozialer und menschlicher zu gestalten, wird bei vielen auf Zustimmung stoßen. Und gleichzeitig räumt man die Befürchtung aus dem Weg, dass die Linken wie die extrem Rechten Frankreich aus der EU herauslösen wollten. Diejenigen, die einen „Frexit“ anstreben, befinden sich im rechtsextremen Bereich, nicht aber in der Linken.

Das gemeinsame Programm, an dem nun gearbeitet wird, stellt soziale und ökologische Punkte in den Mittelpunkt. So sollten künftig Industrieprojekte einer „grünen“ oder „goldenen“ Regel entsprechen (auch hier muss man sich auf eine Bezeichnung einigen); der Mindestlohn SMIC soll auf 1400 € im Monat angehoben werden; es soll eine Preisbremse für unverzichtbare Waren des täglichen Gebrauchs geben; das Renteneinstiegsalter soll auf 60 Jahre gesenkt werden und der „Linke Block“ will die V. Republik beenden und eine VI. Republik auf den Weg bringen, die nicht mehr als Präsidialsystem mit praktisch uneingeschränkten Machtbefugnissen für den Präsidenten ausgelegt sein soll. Eine parlamentarische Demokratie moderner Machart wäre in der Tat eine Alternative zum angestaubten Neofeudalismus, der nach wie vor in Paris herrscht und als immer belastender empfunden wird.

Bereits in wenigen Tagen soll dieses neue, linke Wahlbündnis mit den Grundzügen eines Programms vorgestellt werden und damit werden in Frankreich die politischen Karten neu verteilt.

Bereits die Präsidentschaftswahlen hatten gezeigt, dass Frankreich auf dem Weg nach rechtsaußen ist. Die national-autoritären Kandidaten kamen auf über 40 % der Stimmen, Tendenz steigend. Eine Zeitlang sah es so aus, als hätten die Franzosen im Juni erneut nur die Wahl zwischen national-autoritär und präsidial-autoritär. Doch werden sich allem Anschein nach die Franzosen im Juni zwischen echten Alternativen entscheiden können. Das linke Wahlbündnis wird ein sozialeres, demokratischeres und ökologischeres Frankreich anbieten, das anders aussehen wird als das nationalistische, autoritäre, ausländerfeindliche Frankreich der Rechtsextremen und das neoliberale und ebenso autoritäre Frankreich von Präsident Macron, das zwei Drittel der Franzosen ablehnen.

Es sieht ganz danach aus, dass die französische Linke den Elektroschock des extremen Rechtsrucks gebraucht hat, um endlich zu begreifen, dass der politische Gegner nicht links, sondern eben rechts steht. Ab sofort wird der Parlamentswahlkampf wirklich interessant.

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