Frankreichs Linke zerfleischt sich selbst

Bei der „Fête de l’Humanité“, dem großen Fest der französischen Linken, wurde deutlich, warum diese Linke gerade in der politischen Bedeutungslosigkeit versinkt.

Jean-Luc Mélenchon, wirklich ein Linkeß fOTO. Pierre-Selim / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Das Hauptthema bei der „Fête de l’Humanité“, dem Jahresfest der französischen Linken, das traditionell rund um die kommunistische Tageszeitung „L’Humanité“ organisiert wird, war jemand, der zum ersten Mal seit 12 Jahren gar nicht dabei war – Jean-Luc Mélenchon, der selbsternannte Tribun der französischen Linken, der mit seiner Formation „La France Insoumise“ bei den letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen dafür gesorgt hatte, dass die Kräfte der französischen Linken keine Chance gegen „rechts“ und „rechtsextrem“ hatten, blieb dem Fest fern. Und vielleicht war das auch besser so.

Mélenchon, das ist kein Programm, sondern die personifizierte Provokation. Doch kommt diese Provokation nur einem zugute – dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der mit seiner Bewegung „En Marche“ leichtes Spiel hatte, die gesamte traditionelle Parteienlandschaft Frankreichs auseinanderzunehmen.

Dabei sind die Linksextremen in Frankreich ein ganz besonderes Völkchen. So wählten viele der Anhänger Mélenchons in den zweiten Wahlgängen der beiden Wahlen in diesem Jahr den rechtsextremen Front National und dessen Chefin Marine Le Pen – eine politische Haltung, die weltweit wohl einmalig ist. Linksextreme wählen rechtsextrem, um Kandidaten der bürgerlichen Mitte zu verhindern.

Dass die Sozialisten und Kommunisten, deren Wahlergebnisse nur noch unter „Andere“ einzuordnen sind, die jüngsten Wahlergebnisse kaum analysiert haben und sich damit begnügen, mit dem Finger auf andere zu zeigen, hat Tür und Tor für Emmanuel Macron geöffnet, dessen erste politische Aktionen deutlich zeigen, dass der französische Präsident für das Großkapital und gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger unterwegs ist, das erkannte man am Wochenende bei der „Fête de l’Humanité“. Es gibt keinerlei sinnvolle Ansätze, zwischen den verschiedenen linken Strömungen so etwas wie einen gemeinsamen Nenner zu suchen und zu finden, um über den Aufbau einer starken Opposition wieder ins politische Geschäft zu kommen.

Fast wäre man geneigt, Thilo Sarrazin abgewandelt zu zitieren: „Frankreichs Linke schafft sich selber ab“ – und diese französische Linke begnügt sich mit einer seltsamen Opferrolle, geschlachtet von den bösen Rechten, unverstanden von den Landsleuten, aber unbeirrbar auf dem Weg – auch, wenn dieser in die politische Bedeutungslosigkeit führt.

Natürlich hat Frankreichs Linke es gerade nicht einfach – nachdem eine inzwischen unüberschaubare Anzahl „linker“ Politiker seine „Überzeugungen“ über Bord geworfen und schnell in die Bewegung „En Marche“ eingestiegen ist, von der man lediglich weiß, dass sie Posten und Pöstchen zu vergeben hat, ohne dass allerdings klar wäre, wofür diese Bewegung eigentlich unterwegs ist. Doch wenn es um Posten und persönliche Macht geht, braucht niemand mehr politische Ideale oder Visionen und genau das muss man den vielen „linken“ Politikern vorwerfen, die ihre politische Familie im Stich gelassen haben, um auch noch ein Pöstchen in der neuen politischen Kraft „En Marche“ zu ergattern.

Jean-Luc Mélenchon, der Mann, der sich am Wochenende sehr symbolisch durch seine Abwesenheit aus der „linken Familie“ verabschiedet hat, wird als der Totengräber der französischen Linken der V. Republik in die Geschichtsbücher eingehen. Was politische Kleinkaliber wie der frühere sozialistische Premierminister Manuel Valls oder auch der frühere Wirtschaftsminister der Sozialisten Emmanuel Macron nicht geschafft haben – Mélenchon zieht es gnadenlos durch: die Vernichtung der französischen Linken.

Und jetzt wird es vermutlich eine ganze Generation dauern, bis Frankreichs Linke wieder so etwas wie Kontouren bekommt – derweil wird Millionär Mélenchon in Ruhe sein Rente genießen und zuschauen, wie Frankreich immer mehr in diesen neuen Nationalliberalismus abrutscht. Dass diese Entwicklung überhaupt stattfindet, daran trägt Jean-Luc Mélenchon eine riesige Verantwortung. Und es bleibt die Frage, wie dämlich Frankreichs Linke eigentlich sind, dass sie einem solchen Verkäufer warmer Luft so viel Einfluss zugestanden haben, dass er diese Entwicklung so forcieren konnte. Der Aufstieg der rechtsextremen Populisten in Frankreich liegt nicht etwa daran, dass in Frankreich überwiegend rechtsextreme Politik gewünscht wird, sondern daran, dass die bürgerlichen Parteien die Entwicklungen unserer Zeit einfach verschlafen und mit geistiger Lethargie Leuten wie Mélenchon die Verantwortung für diese sterbende französische Linke überlassen haben. Ein Trauerspiel.

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