Frankreichs Parteien müssen sich neu erfinden

Nach der spektakulären Regionalwahl in Frankreich müssen sich die traditionellen Parteien neu aufstellen, wollen sie bei den nächsten Wahlen ein erneut hohes Ergebnis für den Front National verhindern.

Wenn Frankreichs Traditionsparteien glauben, dass sie so weitermachen können wie seit Anno Tobak, dann täuschen sie sich... Foto: Bundesarchiv, Bild 102-05349, Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Gerade noch mal gut gegangen – so der Tenor der Kommentare in vielen französischen und internationalen Medien am gestrigen Montag. Denn die befürchtete „braune Welle“, eine Bestätigung des starken Wahlergebnisses der Rechtsextremen des Front National vom ersten Wahlgang der Regionalwahlen am 6. Dezember, blieb bei der Stichwahl aus. Das „republikanische Aufbäumen“ fand statt, die Wahlbeteiligung legte um fast 20 % zu und die Franzosen verhinderten erfolgreich, dass die Rechtsextremen auch nur eine einzige Region in den Griff bekommen konnten. Doch damit ist die Gefahr für das politische Frankreich noch nicht gebannt – der Front National steht mit beiden Beinen in der politischen Landschaft Frankreichs und wird auch bei den nächsten Wahlen, vor allem der Präsidentschaftswahl 2017, ein Wörtchen mitreden. Auch, wenn das Ergebnis der Stichwahl ein herber Dämpfer für die rechtsextreme Parteichefin Marine Le Pen ist.

In seltener Einigkeit warnten dann auch Premierminister Manuel Valls (PS) und der konservative Präsidentschaftskandidat und frühere Präsident Nicolas Sarkozy davor, dass man weiterhin vor der Radikalisierung der französischen Politik aufpassen müsse. Was sie nicht sagten, was aber viele Wählerinnen und Wähler mit ihrer Stimme ausdrückten – die Parteien müssen sich neu erfinden und neu aufstellen, denn die Franzosen haben davon, was ihnen die PS und die „Republikaner“ (ex-UMP) seit Jahren vorsetzen, die Nase gestrichen voll. Sollten die beiden Parteien nun so weitermachen wie bisher, dürften die nächsten „Strafwahlen“ nicht lange auf sich warten lassen.

Nur – Selbstkritik gehört nicht zu den Fähigkeiten des politischen Establishments in Frankreich. Bereits nach dem ersten Wahlgang hatten PS und Republikaner so ziemlich alles und jeden für ihr schlechtes Abschneiden verantwortlich gemacht, nur nicht ihr eigenes Verhalten und ihre eigene Politik. Doch einfach so weitermachen wie bisher, das wird nicht mehr funktionieren.

Doch die aktuelle Politikkrise in Frankreich stellt gleichzeitig eine echte Chance dar, Dinge zu verändern. In erster Linie wäre es an der Zeit, dass das Konzept „Macht“ in Frankreich nicht mehr im feudalen Sinne, sondern mit der Perspektive „Kompetenz“ ausgeübt wird. Sprich – in den meisten Regionen, wo entweder Sozialisten oder Konservative den Weg für den Gegenkandidaten des Front National frei machten, sollten die Gewinner aus dem bürgerlichen Lager einen moderneren Politikstil einführen, die „politischen Gegner“ in der Regierung involvieren und nicht so tun, als hätten sie einen wunderbaren Sieg errungen. Das haben sie nämlich nicht. Die Franzosen haben lediglich am Sonntag das Schlimmste verhindert und für Kandidaten gestimmt, die ihnen mehr Bauchschmerzen als Freude verursachen. Das sollten die „Gewinner“ im Hinterkopf behalten und entsprechend mit denen umgehen, die ihnen in den Sattel geholfen haben – denn alleine hätten sie es nicht geschafft.

Wie in der Region Ostfrankreich, wo der Konservative Philippe Richert mehr als 20 % zwischen den Wahlgängen zulegte, von Wählern, die sich nicht nur freuten, ihr Kreuz hinter seinem Namen zu machen. Die Gewinner vom Sonntag sind die Verlierer vom Sonntag davor und sie haben es einzig und allein der Mobilisierung der Nichtwähler zu verdanken, dass sie noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen sind.

Ob die Parteien dies nun zum Anlass nehmen, sich einmal wirklich selbst zu hinterfragen und künftig Dinge anders zu machen? Es gäbe wohl kaum einen besseren Moment dafür.

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