Frankreichs schöne neue Welt

Die politische Entwicklung in Frankreich ist beunruhigend. Die Regierungspartei LREM entwickelt sich mehr und mehr zu einer Art „SED“ Frankreichs.

"Wollen Sie einen starken Mann an der Spitze des Staats, der nicht vom Parlament und Wahlen abhängt?" - warum nur stellt LREM diese Frage ihren Mitgliedern?... Foto: ScS EJ

(KL) – Wohin will Präsident Emmanuel Macron? In einer Umfrage, die von der Parteizentrale an alle Mitglieder verschickt wurde, befindet sich unter anderem die Frage: „Wollen Sie an der Spitze des Staats einen starken Mann, der nicht vom Parlament und Wahlen abhängt?“ Man könnte diese Frage auch anders stellen: „Wollen Sie ein französisches Ermächtigungsgesetz?“ Sieht so die „Neue Welt“ aus, die Macron versprochen hatte – ein System à la Erdogan, in dem sich der Präsident eine gefährliche Machtfülle verschafft und schon dabei ist, die demokratischen Instanzen einfach aushebelt?

„Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns“, so könnte man die aktuelle Haltung der Regierungspartei LREM („La République en Marche“) beschreiben. Der Parteiapparat  erstickt jede Art der Kritik und Stimmen, die es wagen Kritik zu üben, wie der Abgeordnete Villani, werden sofort mit dem Parteiausschluss bedroht. Der Gleichschaltung zahlreicher großer Medien folgt nun die Gleichschaltung der Freiheit des Denkens und der Meinungsäußerung. LREM nimmt immer mehr sektenhafte Züge an, es wird kaum noch argumentiert, dafür aber blinder Gehorsam gegenüber einem Präsidenten gefordert, der Schritt für Schritt die bürgerlichen Grundrechte beschneidet und Proteste gegen die Regierung kriminalisiert.

Dabei reißt die Serie der Skandale in der Regierung nicht ab. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen von PolitikerInnen der zweiten und dritten Reihe tummelt sich im Kabinett, und offenbar ist nicht Kompetenz das entscheidende Element bei der Auswahl der Minister, sondern deren Mittelmäßigkeit. Wichtig ist bei der Besetzung wichtiger Posten nur eines: Dass niemand dem sich selbst als gottgleich betrachtenden Präsidenten Konkurrenz machen kann.

Dabei ist LREM inzwischen das Sammelbecken aller derjenigen, denen es nur um Pöstchen und eine Scheibe der Annehmlichkeiten der Macht geht. Wie beispielsweise der Umweltminister François De Rugy, der in seinem Streben nach Bedeutung von der PS zu den Grünen und von dort zu LREM flatterte. Hauptsache, ein wichtiger und gut bezahlter Posten. Wen interessieren da schon politische Überzeugungen? Viel wichtiger scheint da zu sein, dass die Versorgung mit Hummer und Champagner in den Pariser Palästen der Macht gesichert ist…

Für die im Frühjahr 2020 anstehenden Bürgermeisterwahlen in Frankreich macht LREM bereits mächtig Druck – die Ansage an diejenigen Bürgermeister, die nicht zu LREM gehören und erneut kandidieren, war deutlich: „Wer sich nicht LREM anschließt, der wird als Feind betrachtet“. Dem politischen Gegner drohen? Ist das der Stil der „neuen Welt“?

Der Graben zwischen der französischen Bevölkerung und ihrer Regierung wird immer größer. Der verschwenderische Lebensstil der Mächtigen in Frankreich steht seit der „Hummer-Affäre“ von Umweltminister De Rugy wieder im Mittelpunkt der Kritik und selbst das beeindruckende Spektakel der Parade am 14. Juli auf den Champs-Elysees kann nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass sich der Pariser Machtapparat und das Volk einfach nicht mehr verstehen. Eine grundlegende Reform des Landes und seiner Institutionen steht mehr als dringend an. Bevor die Französinnen und Franzosen ihre Nationalhymne und den darin beschworenen Aufruf zu den Waffen zu greifen, am Ende doch ernst nehmen…

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