Französische Zahlenspiele
Seit den vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich werden die Rechenschieber bemüht. Doch wie man es auch dreht und wendet, es zeichnet sich keine regierungsfähige Koalition ab.

(KL) – Frankreichs Wählerschaft hat der Politik des Landes eine echte Aufgabe gestellt. Denn momentan zeichnet sich rechnerisch keinerlei Mehrheit ab, gleich, wie man es auch betrachtet. Dass bereits wenige Tage nach der Wahl die Wahlblöcke kaum noch Bedeutung haben, denn innerhalb der neuen Fraktionen brodelt es gewaltig, macht alles noch schwieriger. Das ist genau das, was Präsident Macron gewollt hat – das Chaos im politischen Frankreich. Doch auch, wenn nun bereits wieder die ersten Macronisten ihren „Erfolg“ bejubeln, den sie einzig und allein dem Umstand verdanken, dass die linke „Volksfront“ in denjenigen der 577 Wahlkreise ihre Kandidaten zurückgezogen hatte, in denen der eigene Kandidat hinter demjenigen der Macronie lag, um den Durchmarsch der Rechtsextremen an die Macht zu stoppen, so kann auch die Macronie keine Mehrheit auf die Beine stellen. Daher lohnt sich der Blick auf die exakten Wahlergebnisse.
Rassemblement national (ex-Front national) – 126 Sitze
Renaissance (Macron-Partei) – 99 Sitze
La France Insoumise (Mélenchon-Partei) – 78 Sitze
Sozialistische Partei – 69 Sitze
Les Républicains (gemäßigte Konservative) – 56 Sitze
MoDem (gehört zur Macron-Fraktion) – 33 Sitze
Grüne – 28 Sitze
Horizons (Partei des früheren Macron-Regierungschefs Edouard Philippe) – 26 Sitze
Les Républicains – Ciotti (rechtsextreme Abtrünnige der Les Républicains) – 17 Sitze
Kommunistische Partei – 9 Sitze
Linke Unabhängige – 10 Sitze
Rechte Unabhängige – 9 Sitze
Macron-nahe Unabhängige – 8 Sitze
Für die absolute Mehrheit der 577 Sitze benötigt man folglich 289 Sitze. Nachdem Präsident Macron bereits angekündigt hat, dass er keinen Regierungschef aus einem extremistischen Lager ernennen wird, fallen das Rassemblement National und die La France Insoumise für eine Koalition aus. Und nun versuchen Sie mal, mit den verbliebenen Sitzen eine Koalition zu formen – das klingt schlicht unmöglich. Denn natürlich sind sich die anderen Parteien alle spinnefeind und vor allem die 99 verbliebenen Macron-Jünger im Parlament möchte dann auch niemand mehr in einer Regierung sehen.
Aus der Macron-Partei hört man heute sehr unterschiedliche Dinge. Während die ersten Macronisten ihrer Partei den Rücken kehren und die Macronie für beendet erklären, sind andere Vertreter und Anhänger dieser Partei in einer schon fast pathologischen Verleugnung des Wahlergebnisses und feiern sich selbst und ihren vermeintlichen „Erfolg“ (der eine genauso herbe Klatsche ist wie bei der Europawahl am 9 Juni) und sind der Ansicht, man könne doch alles so weiterlaufen lassen wie bisher, mit Premierminister Gabriel Attal, dessen Rücktrittsgesuch Macron abgelehnt hat – denn er muss sich weiter an der Macht halten. Koste es, was es wolle. Und wenn er dafür nicht nur die Parteienlandschaft, sondern gleich die französische Demokratie mit zerstören muss.
Macron, der Frankreich seit 2018 nicht mehr im Griff hat und sich in den Jahren mit so ziemlich jeder Bevölkerungsgruppe angelegt hat, der seine Entscheidungen wie die Rentenreform am Parlament vorbei und gegen den Willen der Franzosen mit Verfassungsartikel 49.3 durchgeboxt hat, stehen leider noch einige Verfassungstricks zur Verfügung, mit denen er das Votum der Franzosen weiterhin ignorieren kann. Trotz der Unterstützung der Kandidaten der linken „Volksfront“ für die Kandidaten der Macronie, die trotzdem rund 90 ihrer Sitze verloren hat und trotz dieser Schlappe weiterhin von der „präsidialen Mehrheit“ spricht, plant die Macronie offensichtlich, weiter an der Macht zu bleiben.
Die weiterhin arrogante Haltung des Präsidenten und seiner 99 verbliebenen Adlaten bewegt sich am Rande zum Pathologischen. Nach wie vor meinen Macron und seine verblendeten Anhänger, dass sie einen Regierungsauftrag haben und das, nachdem die Wählerinnen und Wähler sie zum Teufel gejagt haben. Aber die französische Verfassung erlaubt es diesem Präsidenten, dem wohl schlechtesten der V. Republik, erst einmal den Wählerwillen zu ignorieren und die Franzosen weiterhin mit seiner Mißachtung dafür zu strafen, dass sie es gewagt haben, seine Leute abzuwählen.
Dass es diesem Präsidenten nichts ausmacht, mit der Zukunft Frankreichs zu pokern, das haben die Franzosen mitbekommen. Aber dass die Franzosen ihn und seine Adlaten durchschaut haben, das hat Macron noch nicht verstanden. Die Frage ist, wie weit Macron gehen wird. Wird er, wie bereits mehrfach von ihm angedeutet, Frankreich in einen Bürgerkrieg führen?
Das erste, was man in Paris tun sollte, ist alle Parlamentarier und Regierungsmitglieder und den Präsidenten einem Drogentest zu unterziehen. Alle, bei denen Kokain und ähnliches im Blut gefunden wird, sollten sofort aus der Politik verbannt werden. Aber dazu wird es nicht kommen. Denn am Sonntag am Nationalfeiertag und dann bei den Olympischen Spielen wird sich dieser unsägliche Präsident wochenlang selbst feiern, während das politische Chaos im Land weitergeht. Aber das war ja auch der Plan eines Präsidenten, der weder das Land, noch seine Landsleute liebt. So, wie sich die Dinge seit letztem Sonntag entwickeln, muss man in Frankreich mit dem Schlimmsten rechnen. Und das sind momentan nicht die Rechtextremen und auch nicht die Linksextremen, sondern ein Präsident, der mit diesem Land tut und lässt, was er will. Wie ein Monarch. Vermutlich hat er vergessen, was mit den letzten Monarchen in Frankreich passiert ist…
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