„Freedom Day light“

Mitten hinein in die bislang stärkste Covid-Welle schafft Frankreich schrittweise die sanitären Maßnahmen ab. Ab heute muss man keine Maske mehr im Freien tragen und Telearbeit wird zur Option.

Noch vor Wochen mussten diese Dinge unter Strafandrohung benutzt werden. Jetzt sind sie wohl wirkungslos. Foto: Alvinategyeka / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Covid-Inzidenz in Frankreich beträgt momentan rund 3500 und das sind nur die Fälle, die durch PCR-Tests oder Hospitalisierungen nachgewiesen sind. Die Dunkelziffer all derjenigen, die zwar dreifach geimpft, aber seit Wochen und Monaten nicht getestet sind, liegt deutlich darüber. Doch in Frankreich tobt gerade der Wahlkampf und da will man wenigstens so tun, als habe man die Pandemie besiegt. Was danach passiert, das passiert danach. Bis dahin suggeriert man der Bevölkerung, dass alles unter Kontrolle sei. Wie immer wirft das wirre Management dieser Krise viele Fragen auf.

Die Botschaft an die Franzosen lautet, auf dem Höhepunkt der „5. Welle“: „Es ist so gut wie vorbei, niemand muss mehr vorsichtig sein. Hurra, wir haben die beste Regierung der Welt, die anders als alle anderen Länder diese Pandemie besiegt hat!“. Dass dies natürlich völliger Quatsch ist, will niemand hören. Dass aber durch die Abschaffung sämtlicher Vorsichtsmaßnahmen die nächsten Wellen bereits vorprogrammiert werden, ist wenig zielführend.

Ab heute muss niemand mehr im Freien eine Maske tragen, weder in Warteschlangen, noch auf Märkten, noch an den Skiliften in den Skigebieten. Zwar bleibt das Tragen einer Maske weiterhin obligatorisch in geschlossenen Räumen und Gebäuden mit Publikumsverkehr, doch das ist nebensächlich. Wichtig ist nur, dass man sich ab heute wieder im Menschengetümmel anstecken darf und dort auch das Virus weiter verbreiten kann.

Ebenso wird heute die Begrenzung von Zuschauern bei Großveranstaltungen aufgehoben, was bedeutet, dass sich wieder Zehntausende in den Stadien drängeln dürfen. Zwar herrscht in Stadien weiterhin Maskenpflicht, doch wenn 25.000 Zuschauer drei Minuten nach Anpfiff die Masken abgenommen haben, dann gibt es niemanden, der darauf pocht, dass die Masken wieder aufgesetzt werden. Wollte man dafür sorgen, auf möglichst wenig Platz möglichst viele Menschen gleichzeitig dem Virus auszusetzen, hätte man nichts Besseres finden können. Aber auch Fußballfans sind Wähler, weswegen es wichtig ist, diesen vor der Wahl ein vermeintliches Bonbon zu präsentieren. Dass dieses Bonbon wieder viele Menschen krank machen wird, wen kümmerts? Schuld sind ja ohnehin die nicht geimpften Personen, auch, wenn diese gar nicht in Stadien dürfen.

Und die Telearbeit? Nicht mehr obligatorisch, sondern nur noch „empfohlen“. Die Erfahrung zeigt, dass solche „Empfehlungen“ das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind, da sich niemand an „Empfehlungen“ hält, zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht einmal „Vorschriften“ beachtet werden.

Zusammengefasst ist der heutige 2. Februar eine Art „Freedom Day light“. Etliches davon, was uns seit zwei Jahren als „gefährlich“ verkauft wird, ist ab heute offiziell nicht mehr gefährlich und das genau zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Pandemie durch die Decke schießt und viele Wissenschaftler davor warnen, dass neue Varianten auf dem Weg sind. Dass gelogen wurde und wird, ist klar. Nur wo wird gelogen?

Waren all die Maßnahmen in den letzten beiden Jahren überflüssig, wenn sie heute, auf dem Höhepunkt der „5. Welle“ einkassiert werden können? Oder spielt die französische Regierung aus wahltaktischen Überlegungen gerade Russisches Roulette mit der Gesundheit der Bevölkerung? Und warum wurde gerade erst der „Impfpass“ deutlich verschärft, während er in anderen Ländern bereitss wieder abgeschafft wird, da seine medizinische Aussagekraft gegen Null geht? Auf der einen Seite wird gelockert, was das Zeug hält, auf der anderen Seite werden unsinnige Maßnahmen verschärft. Und dann wundert man sich in Paris, dass das Vertrauen der Menschen in dieses völlige Chaos täglich weiter sinkt?

Die nächste Stufe der Abschaffung der Covid-Maßnahmen erfolgt am 16. Februar. Alles ist so getimt, dass sich Macron in der heißen Phase des Wahlkaampfes als der „Bezwinger der Pandemie“ selbst feiern kann, obwohl natürlich klar ist, dass die nächsten Wellen und damit verbunden, die nächsten Impfdosen bereits unmittelbar nach dem Wahltermin warten.

Letzlich sorgt die Regierung dafür, dass alle kollektiven Anstrengungen zur Bekämpfung dieser Pandemie konterkariert werden. Mit diesen Strategien sorgt man in Paris nur für eines – dass uns diese Pandemie möglichst lange erhalten bleibt. Man sollte sich von diesen wahltaktischen Manövern nicht täuschen lassen. Die Pandemie ist immer noch da und virulenter als je zuvor. Schützen Sie sich weiterhin, tragen Sie zumindest dort, wo sich Menschenansammlungen bilden, auch weiterhin eine Maske, halten Sie Abstand zu ihren Mitmenschen, waschen Sie sich weiterhin regelmäßig die Hände und hören Sie auf den gesunden Menschenverstand. Dieser dürfte sie besser schützen als die Wahlkampf-Strategie der aktuellen Regierung, die gerne weiterhin am Ruder bliebe und dafür alles tut. Aber auch wirklich alles…

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