Freie Fahrt für freie Bürger?

Die Diskussion um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen ähnelt der Diskussion um ein Verbot von Waffen in den USA – niemand möchte Wähler vergraulen…

Grüne und SPD fordern ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen - CDU/CSU und FDP sind dagegen. Foto: Silberchen / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Rasen auf deutschen Autobahnen gehört zu den liebsten Hobbies der Deutschen. Der Umstand, dass es kein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen gibt, wird im Land der Luxus-Karossen von Mercedes, Porsche, Audi und BMW & Co. als ein Beweis von „Freiheit“ gewertet und nach wie vor werden in Deutschland Autos hergestellt, die weit über 200 km/h fahren können. Auch der Spitzenkandidat der CDU/CSU, Armin Laschet, möchte keine konservativen Wähler verprellen und bezeichnet daher die Diskussion um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen als „unsinnig“. Aber früher oder später wird eine Geschwindigkeitsbegrenzung auch in Deutschland kommen. Weil sie genau so sinnvoll ist wie ein Verbot zum Tragen von Handfeuerwaffen in den USA.

Um sich ja nicht den Zorn von ganzen Wählerschichten zuzuziehen, hat die CDU/CSU das Credo „Freie Fahrt für freie Bürger“ sogar in ihr Wahlprogramm geschrieben. Argument: „wenn ein Elektroauto mehr als 130 km/h auf der Autobahn fährt, wo soll da das Problem sein?“ Zumal, so Laschet, die durchschnittliche Geschwindigkeit auf deutschen Autobahnen aufgrund der Verkehrsdichte ohnehin nur 117 km/h beträgt. Doch das Argument könnte man auch umdrehen und sagen, dass wenn die durchschnittliche Geschwindigkeit ohnehin „nur“ bei 117 km/h liegt, man auch ein generelles Tempolimit von 130 km/h einführen könnte, um unfallträchtige Raser zu einem vernünftigeren Fahren anzuhalten.

Doch der politische Wettbewerb ist auf einer ganz anderen Linie. Grüne und SPD fordern ein generelles Tempolimit von 130 km/h, wie es in den meisten europäischen Ländern gilt. Ziel eines solchen Tempolimits ist es, schwere Unfälle zu vermeiden, indem man das sinnlose Rasen verbietet. Es ist bekannt, dass Autofahrer ab einer Geschwindigkeit von 140 km/h so genannte „Mini-Blackouts“ erleben, da das menschliche Gehirn Probleme hat, die Informationen zu verarbeiten, die bei dieser Geschwindigkeit auf das Hirn einprasseln. Je schneller man fährt, desto höher die Frequenz dieser „Mini-Blackouts“.

Die Gefährlichkeit hoher Geschwindigkeiten ist übrigens auch der Grund, warum es bereits heute auf rund 30 % der deutschen Autobahnen ein Tempolimit gibt und dort, wo ein solches Limit eingeführt wurde, sind die Unfallzahlen massiv gesunken, wie beispielsweise auf der Autobahn A5 zwischen der Schweizer Grenze und der Stadt Freiburg, wo seit Jahren eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h gilt und die Unfallzahlen seitdem stark rückläufig sind.

Auf Autobahnen zu rasen hat nichts mit „Freiheit“ zu tun. Denn eine „Freiheit, sich und andere zu gefährden“, gibt es nicht. Diesem Irrglauben folgen außer Deutschland nur noch eine Handvoll Länder, deren Autobahnnetze nicht unbedingt eine Referenz sind: die Pazifikinsel Vanuatu, die indischen Bundesstaaten Pradesh und Uttar, Nepal, Myanmar, Burundi, Bhutan, Afghanistan, Nordkorea, Haiti, Mauretanien, Somalia und der Libanon. Es wäre an der Zeit, dass Deutschland diesen illustren Verein verlässt und sich endlich so verhält wie der Rest der Welt – mit einem vernünftigen Tempolimit. Denn das rettet Leben.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste