Friedrich Merz auf den Spuren von Emmanuel Macron

So richtig versteht niemand, was Friedrich Merz geritten haben mag, drei Wochen vor der Wahl sein CDU-AfD-Spektakel zu inszenieren. Gestern gab es dafür eine derbe Niederlage im Bundestag.

Seit Mittwoch "verzieren" Unbekannte die Wahlplakate von Friedrich Merz, wie hier in Offenburg... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Was haben Friedrich Merz und Emmanuel Macron gemeinsam? Die Fähigkeit, ohne Not und ohne in Bedrängnis zu sein, Eigentore zu schießen. Dazu geht beiden das Gefühl für die Menschen im Land ab, sie bewegen sich überwiegend in ihren jeweiligen Elfenbeintürmen, doch nutzen wird das beiden wenig. Nachdem Merz am Mittwoch durch seinen „Abstimmungserfolg“ für seinen 5-Punkte-Plan gemeinsam mit der AfD eine Welle der Empörung bis hinein in seine eigene Partei ausgelöst hatte, bekam er gestern im Bundestag einen herben Dämpfer. Sein Gesetzesvorschlag zur „Zuwanderungsbegrenzung“ erhielt lediglich 338 Stimmen, dafür stimmten aber 349 Abgeordnete dagegen. Interessant ist das Stimmverhalten der einzelnen Fraktionen, denn dieses deutet darauf hin, dass die Karten für die Bundestagswahl am 23. Februar komplett neu gemischt werden.

Friedrich Merz hatte es sehr eilig, aus den Anschlägen in Magdeburg und Aschaffenburg politisches Kapital zu schlagen, doch das ging gründlich daneben, ebenso wie Macrons Reaktion auf sein schlechtes Abschneiden bei der Europawahl, als er das Parlament auflöste und Frankreich in eine in der V. Republik noch nicht dagewesene Politikkrise stürzte. Der Unterschied ist allerdings, dass Macron zu diesem Zeitpunkt bereits Präsident Frankreichs war und sich an seinem Thron festklammern konnte und bis heute kann, während Merz offenbar übersehen hat, dass er erst zum Bundeskanzler gewählt werden müsste, bevor er über so etwas wie „Macht“ verfügt.

Merz’ Erklärungen, dass er „nie der AfD die Hand reichen würde“, klingt unglaubhaft, hat er doch gerade erst der AfD die Hand gereicht und gestern im Bundestag nur deshalb sein Gesetz nicht durchbekommen, weil ihm zahlreiche Abgeordnete der CDU (!) und der FDP (!) die Gefolgschaft verweigerten und entweder gar nicht an der Abstimmung teilnahmen, oder sich der Stimme enthielten. Und so stimmten für Merz Gesetzesvorschlag die CDU/CSU, die AfD, einige FDP-Abgeordnete und das BSW (!), von dem man immer weniger versteht, ob es sich nun um eine links- oder rechtsextreme Partei handelt. Eine Blitzumfrage zeigte gestern, dass eine knappe Mehrheit der Deutschen Merz Beteuerungen, dass er auf keinen Fall mit der AfD zusammenarbeiten will, nicht glaubt. Der Mann hat es geschafft, sich innerhalb von 72 Stunden von der fast schon sicheren Siegerseite in eine Lage zu manövrieren, in der er selbst für viele CDU-Anhänger nicht mehr wählbar ist.

Sich drei Wochen vor der Wahl zum „Deppen der Nation“ zu machen, ist keine sonderlich gute Wahlstrategie, denn auf die rhetorische Frage aus SPD-Kreisen, ob man diesem Mann wirklich die Geschicke des Landes anvertrauen kann, gibt es eigentlich nur eine Antwort: Nein.

Statt nun als strahlender Held und erfolgreicher Politiker und damit als Alternative fürs Kanzleramt dazustehen, ist Friedrich Merz zum größten Problem der CDU geworden, die plötzlich gar nicht mehr so sicher sein kann, nach dem 23. Februar eine Regierungskoalition nach ihrem Geschmack bilden zu können.

Nutznießer der politischen Geschmacklosigkeit von Friedrich Merz ist natürlich nicht die CDU, die seit Mittwoch in den Umfragen sinkt, sondern die AfD, die munter weiter zulegt. Und wieder gibt es eine Parallele zu Frankreich, wo ebenfalls diejenigen, die eine Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen entrüstet ablehnen, gleichzeitig die besten Wahlhelfer der Rechtsaußen sind. Wenn Emmanuel Macron und Friedrich Merz auch sagen, dass sie die „Bollwerke“ gegen die Rechtsextremen sind, haben diese noch nie so viel Unterstützung erhalten wie von diesen beiden Politikern. Die sich damit eigentlich für jedes weitere Mandat disqualifizieren.

Dass diese Wahl am 23. Februar nun doch spannend wird, ist einzig und allein das „Verdienst“ von Friedrich Merz. Es hätte gereicht, wenn er einfach noch drei Wochen lang still geblieben wäre und die CDU hätte bei der Wahl einen Durchmarsch hingelegt. Doch seine Geltungssucht und das Verlangen, sich als der „starke Mann der Nation“ darzustellen, hat sich als geradezu Macron’sches Eigentor herausgestellt. Es wäre wohl an der Zeit für einen Generationswechsel in der Politik, denn das aktuelle politische Personal, sowohl in Frankreich wie in Deutschland, ist den Aufgaben der heutigen Zeit eindeutig nicht mehr gewachsen. Da kommen noch heftige Zeiten auf beide Länder zu…

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