Funkstörungen zwischen Paris und Berlin

Der deutsch-französische Motor stottert. Angela Merkel und Emmanuel Macron kommunizieren inzwischen über die Medien und rollen vor diesen einen handfesten Ehekrach aus.

"Oh Angèle, liebst du misch nischt mähr?" - "Nu lass mir mal und du, Ännchen, hör mit dem Jeklimper uff und schreib dem Herrn ne Antwort"... Foto: J. Castille / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Anfang des Jahres war alles schöner. Zuerst feierten wir den Geburtstag des Elysee-Vertrags und damit natürlich die deutsch-französische Freundschaft, später kam dann der Aachener Vertrag dazu, in der Zwischenzeit hatte der „Grenzübergreifende Bericht“ des Vizepräsidenten der Nationalversammlung Sylvain Waserman eine Road Map in ein deutsch-französisches Paradies aufgezeigt. Doch dann kam der deutsch-französische Motor plötzlich ins Stocken. Schuld daran ist in erster Linie das Duo Merkel-Kramp-Karrenbauer.

Wie konnte das denn nur passieren? In der Süddeutschen Zeitung redete Angela Merkel von „Meinungsverschiedenheiten“, „Mentalitätsunterschieden“ und „unterschiedlichem Verständnis ihrer Rollen“. Prompt schallt es aus dem Elysée-Palast zurück. „Ich glaube weder an sterile Konfrontationen, noch an ein steriles Verständnis“, antwortete Emmanuel Macron und das klang dann schon wie eine Promimeldung aus der Regenbogenpresse, in der die Trennung eines Promi-Pärchens verkündet wird.

Doch woher kommt diese deutsch-französische Gereiztheit? Diese Gereiztheit wird gerade von mehreren Faktoren ungünstig beeinflusst. Da wäre zunächst der Umstand, dass Angela Merkel in ihrer unwiderruflich letzten Amtszeit das Arbeitsformat „ich-arbeite-wenn-ich-Bock-habe“ für sich entdeckt. Und das hat sie offensichtlich immer weniger. So hatte sie beispielsweise keinen Bock, auf die europaweit von Emmanuel Macron in allen großen europäischen Tageszeitungen veröffentlichten Europa-Vorschläge zu antworten. Also antwortete sie erst einmal eine ganze Weile gar nicht, bevor sie dann das lästige Schreiben ihrer designierten Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer überließ. Die aber war so aufgeregt, dass sie trotz fehlenden Regierungsamts oder Abgeordnetenstatus etwas richtig Wichtiges schreiben durfte, dass sie versuchte, sich mit ihrem Schreiben auf europäischer Ebene zu profilieren. Und das ging leider richtig schief.

Man kann zu Emmanuel Macrons Europa-Visionen durchaus geteilter Meinung sein. Sein liberaler Ansatz, der durch ein üppig ausgestattetes Eurozonen-Budget Europa faktisch in ein Europa der Reichen und ein Europa der Armen spaltet, kann kontrovers diskutiert werden, ebenso wie andere Vorschläge. Nur, das sollte man dann auch tun, statt auf Tauchstation zu gehen und dann die Stellvertreterin einen Antwortbrief zu schreiben, der Macron ziemlich von oben herab mitteilte, dass man auf diese ganzen Dinge gerade erst einmal keinen Bock habe. Das mag Angela Merkel gefallen haben, nicht aber Emmanuel Macron.

Der französische Präsident reagierte dann schließlich auch. Mit neuen Klimainitiativen mit verschiedenen europäischen Partnern, mit einem neuen Appell gegen den Cyberterrorismus gemeinsam mit Neuseeland – Macron sucht sich nun eben die Mitspieler, die seine Projekte, oder zumindest deren Ankündigung, mittragen wollen. Alles ohne Deutschland. Worüber sich aber AMAKK nicht beschweren dürfen.

Allerdings ist auch das Nervenkostüm des französischen Präsidenten nach einem halben Jahr sozialer Unruhen und samstäglicher Straßenschlachten dünn. Eine müde Kanzlerin auf Abschiedstour, eine Nachfolgerin, die in die großen Fußstapfen von Angela Merkel erst noch hineinwachsen muss (falls man ihr dazu überhaupt noch die Chance gibt), ein gereizter französischer Präsident, der grade nicht nur das Feuer der Kathedrale Notre-Dame-de-Paris, sondern auch viele andere Baustellen löschen muss – da ist es vielleicht auch nicht der richtige Zeitpunkt zu sagen „Du, ich bin grade mit der Gesamtsituation unzufrieden, ich würde da gerne mal drüber reden…“. Im Moment sind im deutsch-französischen Pärchen vielleicht eher getrennte Schlafzimmer angesagt.

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