Ganz nah dran

Rund 50 türkische Jugendliche kommen zur „Teestunde mit Ausbildungsangeboten“ der IHK Südlicher Oberrhein.

Martin Burkhardt, Leiter Aus- und Weiterbildung bei Schaeffler, im Gespräch mit Seda Türker beim "Unternehmens-Speeddating". Foto: IHK

(NB) – Von wegen „Abwarten und Tee trinken“: Rund 50 türkische Jungen und Mädchen haben am vergangenen Samstag das Angebot der IHK Südlicher Oberrhein genutzt und sich zum “Speeddating” mit Unternehmern aus der Region getroffen.

Seda Türker ist begeistert von der „Teestunde mit Ausbildungsangeboten“, die die IHK speziell für türkische Jugendliche im Rahmen ihrer Kampagne „Kariyer-Macher“ auf der Offenburger Berufsinfomesse organisiert hat. „Ich bin hier auf der BIM mit meiner Bewerbungsmappe schon an vielen Ständen von Firmen gewesen, leider ohne Erfolg. Beim Speeddating habe ich direkt vom ersten Unternehmen ein Praktikumsangebot bekommen.“ Die 18-Jährige strahlt. Sie hat das einjährige Kaufmännische Berufskolleg I absolviert; derzeit arbeitet sie bei ihrem Vater im Betrieb und würde gern noch in diesem Jahr eine Ausbildung zur Industriekauffrau beginnen. Angespornt von dem ersten guten Gespräch hofft sie auf weitere Erfolge an diesem Tag. „Ich möchte heute noch mit allen Unternehmen Gespräche führen!“

Sieben Firmen aus der Ortenau bitten an diesem Samstag bei Tee aus dem Samowar und türkischen Spezialitäten zum Speeddating: Ada Cosmetics, DB Mobility Logistics, Erdrich Umformtechnik, der Europa Park, Hansgrohe, die Papierfabrik August Koehler und Schaeffler Technologies. Martin Burkhardt, Leiter Aus- und Weiterbildung bei Schaeffler, spricht in der Vorstellungsrunde besonders die jungen Frauen an, sich einer technischen Ausbildung nicht zu verschließen. Sein Werben kommt an. „Bei mir waren tatsächlich deutlich mehr Mädchen als Jungen“, zieht er abschließend lachend Bilanz.

Viele der Mädchen, die zu Ada Cosmetics kommen, stellen Kirsten Heinsch dieselbe Frage: „Darf ich bei Ada Kopftuch tragen?“ Meist kann die Ausbildungsleiterin die jungen Frauen beruhigen: „Das ist bei uns kein Problem. Nur im Hygienebereich, da muss eine Haube getragen werden.“ Beinahe identisch ist die Antwort von Marcus Beck, Leiter Personal & Administration Europa Park Hotels. „Tragen unsere Mitarbeiter im Rahmen ihrer Arbeit ein Kostüm, ist es leider nicht möglich. Ansonsten ist ein Kopftuch für uns kein Problem.“

Die Ausbildungsberufe, die die sieben Firmen mitgebracht haben, reichen von der Hotelfachfrau über den Papiertechnologen bis zur Industriemechanikerin. Aber die Unternehmensvertreter informieren auch über die angebotenen Berufsbilder hinaus. „Viele der jungen Leute interessieren sich für ein Duales Studium“, berichtet Hans-Günther Luft, Bauleiter DB Bahnbau von der DB Mobility Logistics, über seine Speeddating-Termine. Cetin Gazoz, Ausbilder bei Erdrich Umformtechnik, weist auch immer wieder auf die guten Karrierechancen in der Industrie hin. „Viele wissen gar nicht, welche beruflichen Erfolge sie mit einer Dualen Ausbildung erreichen können.“

Diese Tatsache ist bei dem Ehepaar Leyla und Okan Tekin längst bekannt. Genau deshalb sind sie zur „Teestunde mit Ausbildungsangeboten“ der IHK gekommen. „Wir haben gestern auf der BIM die Reklame für den Termin gesehen. Das ist wie für uns gemacht“, freut sich Leyla. Ihr Mann ist erst seit einem Jahr in Deutschland. In der Türkei hat er bereits eine Ausbildung im Hotelfach absolviert, nun soll eine weitere Ausbildung in diesem Bereich in Deutschland folgen. „Beim Europa-Park, das wäre schön“, sagt Okan. Das erste kurze Kennenlernen beim Speeddating lässt ihn hoffen. „Ich soll meine vollständigen Bewerbungsunterlagen einreichen.“ Markus Beck vom Europa-Park lächelt: „Ich glaube, ich habe heute einen neuen Mitarbeiter gefunden.“

„Für die Jugendlichen ist dieser leichte Zugang zu den Unternehmen sehr hilfreich“, sagt Gerhard Vollmer von der Papierfabrik August Koehler über das Speeddating. Der Leiter Papiertechnische Ausbildung spricht mit den Jugendlichen nicht nur über die Ausbildung bei Köhler, sondern schaut als Experte außerdem auf die Bewerbungsmappen der jungen Leute und kann so hilfreiche Tipps geben. Christian Joos, gewerblich-technischer Ausbilder bei Hansgrohe lobt ebenfalls den Rahmen der Veranstaltung. „Wenn die jungen Leute erst einmal im Gespräch sind, tauen sie richtig auf.“ Joos appelliert an alle Speeddating-Kandidatinnen und -Kandidaten, die zu ihm kommen, sich für ein Praktikum bei Hansgrohe zu bewerben. „Unser Gespräch heute hier erhöht dabei natürlich ihre Chancen auf einen Platz.“

Muhammet Kiran, Attaché des Generalkonsuls der Republik Türkei, rät den anwesenden jungen Türkinnen und Türken, die Chance der Dualen Ausbildung zu nutzen. „Es gibt so viele verschiedene Ausbildungsberufe in Deutschland und damit für jeden und jede die Möglichkeit, den passenden Beruf zu finden.“ Das Türkische Generalkonsulat Karlsruhe unterstützt die Aktion der IHK Südlicher Oberrhein. IHK-Präsident Dr. Steffen Auer weiß, dass das Interesse der Unternehmen an motivierten jungen Leuten hoch ist. Die Nationalität spiele dabei keine Rolle. „In Zeiten von kleiner werdenden Jahrgängen, in denen zudem nahezu jeder zweite ein Hochschulstudium anstrebt, ist es für die Betriebe schwer, Azubis zu finden. Das Gespenst Fachkräftemangel ist längst ganz real in den Firmen der Region angekommen. Diese Situation sollten Schulabgänger nutzen.“

Nach „Unternehmer machen Schule“ ist „Kariyer-Macher“ die zweite Initiative des „Projekts Wellenschlag“ der IHK Südlicher Oberrhein; die Herangehensweise mit App und Speeddating etwas anders als gewöhnlich. Zielgruppe der Aktion sind deutsch-türkische Jugendliche. Auer: „Sie stellen im Kammerbezirk die größte Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund. Zudem sind sie unter den Auszubildenden weit unterdurchschnittlich repräsentiert; entsprechend hoch ist das vorhandene Potenzial.“ Die Kampagne soll den Jugendlichen, aber auch ihren Familien verdeutlichen, dass eine Duale Ausbildung ein besserer Start ins Berufsleben ist als die Arbeit als Aushilfskraft. Wenn die Lehrjahre vielleicht auch nicht so lukrativ sind, so können sie doch der perfekte Start für eine ausgewachsene Karriere sein. Entsprechend heißt die Kampagne: „Kariyer-Macher“ – ganz bewusst im deutsch-türkischen Sprachgemenge, dennoch für alle verständlich.

Der nächste Termin zur „Teestunde mit Ausbildungsangeboten“ steht bereits fest: Am Freitag, 3. Juni, ab 18 Uhr, geht es in Offenburg erneut rund. Details zum Ort werden noch bekannt gegeben. „Die jungen Leute sollten sich den Termin schon jetzt in ihren Kalender eintragen“, legte IHK-Präsident Auer den türkischen Jugendlichen nahe. „Es werden wieder viele interessante Unternehmen beim Speeddating dabei sein.“ Anmeldungen sind über die E-Mail-Adresse kariyer-macher@freiburg.ihk.de oder telefonisch unter der Rufnummer 0761 / 3858-180 schon jetzt möglich.

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