Gebietsreform: Konzertiertes Durcheinander im Elsass

Gestern bezogen die Generalräte der beiden Departements Bas-Rhin und Haut-Rhin sowie der Regionalrat Stellung zu der geplanten Gebietsreform. Und stimmten sogar ab.

Philippe Richert hat endlich ein Abstimmungsergebnis für den "Conseil Unique d'Alsace". Anderthalb Jahre zu spät. Foto: © KL

(KL) – So etwas hat es bisher noch nicht gegeben. Zeitgleich fanden gestern Sitzungen der Departmentsräte der beiden elsässischen Departements und des Regionalrats statt. Ziel dieser parallelen Veranstaltungen war es, eine gemeinsame elsässische Position für den Fortbestand der Region Elsass zu manifestieren, da momentan in Paris für die geplante Gebietsreform die Variante Elsass-Lothringen-Champagne-Ardennes bevorzugt wird. Obwohl die gemeinsame Entschließung von einer großen Mehrheit in allen drei Räten angenommen wurde, zeigte sich doch das grundlegende Problem, das eventuell die Zukunft der Eigenständigkeit des Elsass gefährden könnte – es gibt zwischen den politischen Parteien genauso wenig einen Konsens wie am 7. April 2013, als das Referendum zur Einführung dessen scheiterte, was die Abgeordneten heute am liebsten sofort beschließen würden – doch so, wie es gerade aussieht, wird es wohl den „Conseil Unique d‘Alsace“ nie geben.

Erstaunlich ist die Position der PS: 8 PS-Generalräte enthielten sich der Stimme im Departement Bas-Rhin, 36 Generalräte stimmten für den „Conseil Unique“ – hier gab es keine Gegenstimme. Wie bitte – 8 Stimmenthaltungen? Wenn so wichtige Zukunftsfragen anstehen, sollte man auch einmal über die Grenzen der Parteidisziplin und den Tellerrand hinaus blicken und sich nicht aus parteitaktischen, sondern aus Überzeugungsgründen an einer solchen Abstimmung beteiligen. Ansonsten könnte man auf die Idee kommen, dass die Abgeordneten, die sich der Stimme enthalten, keine politische Meinung haben. Dann sollten sie allerdings auch nicht Abgeordnete sein.

Im Haut-Rhin stimmten 27 Abgeordnete für den Antrag, es gab eine Enthaltung, der PS-Abgeordnete Pierre Freyburger stimmte dagegen und 2 PS-Abgeordnete weigerten sich, an der Abstimmung teilzunehmen.

Im Regionalrat stimmten 38 Abgeordnete für den “Conseil Unique”, die 3 FN-Abgeordneten stimmten dagegen, es gab eine Enthaltung und die PS-Abgeordneten nahmen nicht an der Abstimmung teil. Toll. Siehe oben.

Somit hat der Präsident der Region Elsass Philippe Richert anderthalb Jahre zu spät das Votum, das er sich im April 2013 gewünscht hatte, doch heute nützt ihm dieses Votum überhaupt nichts mehr, denn es stellt noch nicht einmal ein Mandat zur Nachverhandlung im Namen des ganzen Elsass in Paris dar. Im Gegenteil.

Die Bandbreite der Meinungen zu dieser Gebietsreform ist enorm. Während sich (fast) alle dann doch den „Conseil Unique“ wünschen, würde eine Mehrheit wohl auch die Lösung Elsass-Lothringen akzeptieren, nur – diese steht zumindest im Moment in Paris überhaupt nicht zur Debatte. Wieder andere könnten sich auch mit einer Option zusammen mit der Champagne-Ardennes anfreunden. Doch auch die Option Elsass-Lothringen-Franche Comté wurde schon angedacht. Nach einer einhelligen Meinung klingt das nicht.

Die Abstimmung von gestern und die Debatten rund um die Gebietsreform könnten den Eindruck erwecken, dass das Elsass bei der Frage der endgültigen Ausgestaltung dieser Gebietsreform mitzureden hätte. Doch abgesehen davon, dass es heute unmöglich ist, eine „elsässische Position“ zu vertreten, da es diese überhaupt nicht gibt, hat niemand in Paris das Elsass bislang gefragt, ob man mit den Plänen einverstanden sei. Es sieht auch gerade nicht danach aus, als würde man sich in Paris dafür interessieren, was die Menschen im Elsass wollen.

Bevor es eine gemeinsame „elsässische Position“ zur Zukunft der Region gibt, sind alle Versuche, der Pariser Politik die ungeliebte Variante Elsass-Lothringen-Champagne-Ardennes auszureden, zum Scheitern verurteilt. Insofern hat auch die gestrige Abstimmung in den drei regionalen Parlamenten gezeigt, dass es eine solche gemeinsame Position nicht gibt (trotz der fast einstimmigen Verabschiedung der Resolution…) – und dass die Parteien weiterhin versuchen, die Interessen ihrer jeweiligen Formationen mit den Interessen des Elsass unter einen Hut zu bringen. Doch dies wird nicht nur nicht klappen, sondern das Elsass der letzten Chance berauben, selbst in die Debatten um die Zukunft der Region einzugreifen.

Irgendwie macht man in der Frage keine Fortschritte. Während heute die meisten Politiker des Elsass bedauern, wie das Referendum vom 7. April 2013 ausgegangen ist, wiederholen sie die Geschichte nun zum zweiten Mal. Das Bedürfnis, sich zu profilieren, scheint größer zu sein als die Sorge um die Zukunft der Region. Ein ganz großer historischer Fehler zeichnet sich ab…

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