Gebietsreform: Startet bald die Französische Revolution 2.0?

Der Pathos ist aus der Debatte um die geplante französische Gebietsreform nicht mehr wegzudenken. Bretonen, Korsen und Elsässer fürchten um ihre Identität.

Hoffentlich müssen wir nicht erleben, dass Philippe Richert die "Elsässische Republik" ausruft... Foto: Auguste Couder / Datenbank Joconde / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Die „elsässische Identität“ ist ein Konzept, das nur schwer zu greifen ist. Denn es gibt viele „elsässische Identitäten“ – zwischen dem Sundgau und den nördlichen Vogesen, zwischen Rheinebene und den Städten des Elsass, überall ist die „elsässische Identität“ nur schwer auszumachen. Was man nicht zuletzt am 7. April 2013 feststellen konnte, als ein „Elsässischer Einheitsrat“ beim diesbezüglichen Referendum durchfiel. Vor Jahresfrist, als es die Pläne zur Gebietsreform und der Fusion der Regionen noch nicht gab, verspürte offenbar niemand das Bedürfnis, für eine gemeinsame „elsässische Identität“ zu kämpfen, oder alleine nur für sie abstimmen zu gehen.

Doch die Befürworter einer eigenständigen Region Elsass haben sich dafür entschieden, mit den falschen Argumenten an den Start zu gehen. Obwohl es viele gute Gründe gibt, eine solche Fusion mit Lothringen (und der Champagne-Ardennes) abzulehnen, hört man nicht etwa gut Argumente, sondern nationalistisch und autonomistisch angehauchte Statements, bei denen man sich nicht einmal schämt, mit so seltsamen Formationen wie „Alsace d’abord“ und anderen gemeinsame Sache zu machen.

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass sich die Elsässer so aufführen werden wie die Korsen und Bretonen, deren Kampf um Unabhängigkeit seit Jahrzehnten und teilweise mit heftigen Mitteln geführt wird. Solche Traditionen gibt es im Elsass zum Glück nicht und die Elsässer müssen sogar einmal darüber nachdenken, ob nicht gerade die heftig bewegte Geschichte dieser Region überhaupt erst dafür gesorgt hat, dass das Elsass so etwas wie eine eigene Identität entwickeln konnte. Ob unter deutscher Besatzung oder französischer Herrschaft, die Elsässer waren und blieben Elsässer. Und die Chancen, dass diese Identität deshalb verloren gehen würde, weil die administrative Region Elsass mit einer anderen administrativen Einheit fusionieren soll, gehen ehrlich gesagt gegen Null. Das Elsass wird auch in 100, 200 oder 500 Jahren das Elsass sein, weswegen die pathetischen Sprüche der Verteidiger des „wahren Elsässertums“ im Grunde eher am Thema vorbei gehen.

Warum argumentieren die Verfechter des „Elsass ohne alles“ nicht mit den Punkten, die objektiv vermittelbar und sinnvoll sind? So würde eine Fusion mit anderen Regionen eine echte Gefährdung der für das Elsass überlebenswichtigen Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen in Deutschland und der Schweiz gefährden, die nicht nur für das Elsass und diese Nachbarregionen wichtig ist, sondern auch für die Rolle Frankreichs und Deutschlands in Europa. Warum argumentiert man nicht mit der auch für Frankreich so wichtigen Sonderrolle der Europastadt Straßburg? Warum erklärt man nicht, dass das Elsass in seiner aktuellen Form ein wichtiger Impulsgeber für die ganze Wirtschaftsentwicklung in Frankreich ist? Eine solche Argumentation würde sicher in Paris anders wirken als das Hochhalten dumpfer Plakate, auf denen „Freies Elsass“ steht.

Doch jetzt, wo der Pathos seinen festen Platz in der Debatte eingenommen hat, geht es nicht mehr um Argumente, sondern um Emotionen. Wodurch den Elsässern fälschlicherweise suggeriert wird, es ginge ihrer Kultur und ihrer Wesensart ans Leder, was objektiv gesehen natürlich falsch ist. Dass die Befürworter einer Region „Elsass ohne alles“ mit diesem Pathos einen Bärendienst erweisen, das scheint den lokalen Politikern der Konservativen nicht richtig verständlich zu sein. Also werden sie so weitermachen. Bis zur „Französischen Revolution 2.0“. Hoffentlich müssen wir es nicht erleben, dass Philippe Richert auf dem Straßburger Place Kléber die „Elsässische Republik“ ausruft. Das wäre dann nämlich des Guten ein wenig zu viel…

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