Gebietsreform: Und was tun wir für die Zukunft des Elsass?

Das Elsass steht Kopf und zerreißt sich gerade zwischen Verfechtern einer mehr oder weniger eigenständigen Region und Befürwortern einer Reform. Und was machen wir?

Wenn das Elsass für uns mehr als ein touristisches Ziel sein soll, müssen wir uns im Alltag mehr engagieren. Foto: Fr Antunes / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Die französische Gebietsreform ist ein delikates Thema, wenn man es von Deutschland aus betrachtet. Denn auf den ersten Blick haben wir mit diesem Thema nichts zu tun. Aber nur auf den ersten Blick. Denn die geplante Reform mit der Zusammenlegung verschiedener Regionen könnte starke Auswirkungen auf die deutsch-französische Zusammenarbeit haben.

Wer mitbekommt, wie hitzig und polemisch gerade im Elsass über die geplante Gebietsreform diskutiert wird, der umfährt dieses Thema am liebsten weiträumig. Denn vom deutschen Rheinufer aus ist die Aufregung nur schwer zu verstehen. Wir sehen, dass das Elsass auf die Barrikaden geht, wir hören den Präsidenten der Region Elsass mit sich überschlagender Stimme vor dem Ende der Zivilisation warnen, wie bekommen mit, dass sich selbst diese Frage mittlerweile in den ewig alten und stinklangweiligen Konflikt zwischen “Links” und “Rechts” verwandelt (links = für eine Reform, am liebsten mit einer neuen Region Elsass-Lothringen; rechts = für eine Region Elsass ohne eine andere Region) und irgendwann denkt man, dass man den Elsässern viel Glück wünscht. Und dann beschäftigt man sich mit anderen Dingen. Ein großer Fehler.

Denn das, was gerade im Elsass geplant ist, wird auch die deutschen Grenzregionen stark betreffen. Denn die Nachbarregionen, mit denen eine Fusion denkbar wäre, haben wenig mit deutsch-französischen Fragen zu tun – dort geht es eher um die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partner, nämlich mit Belgien und Luxemburg. Was zwangsläufig zu einer Art Konkurrenz-Situation zwischen den beteiligten Ländern führen würde. Denn jeder Euro, der in die französisch-belgische Zusammenarbeit gesteckt wird, würde in einer neuen, fusionierten Region, für Projekte der deutsch-französischen Zusammenarbeit fehlen. Was natürlich umgekehrt genauso stimmt.

Wir in Baden machen dabei den gleichen Fehler wie die Mehrheit der Befürworter einer Region Elsass ohne Nachbarregionen – wir überlassen die Debatte einer Handvoll Extremisten, die versuchen, von der Gelegenheit zu profitieren, ihre kruden Ideen eines “freien Elsass” zu verbraten. Und da so viele schräge Töne in die Debatte eingezogen sind, vermeiden deutsche Politiker auf lokaler und regionaler Ebene auch jede Stellungnahme zu dieser Frage. Ein Fehler.

Warum haben wir dann all die grenzüberschreitenden Einrichtungen, Strukturen, Organisationen, wenn bei solch zentralen Fragen nicht einmal ein Austausch stattfindet? Warum fragen die deutschen Verantwortlichen nicht mal höflich in Frankreich nach, was für Auswirkungen denn die verschiedenen Optionen auf die Region hätten? Warum gibt es keine deutsche Stellungnahme zu dieser Frage? Warum helfen wir den elsässischen Nachbarn nicht?

Die deutsch-französische Zusammenarbeit am Oberrhein kann sich nur dann entwickeln, wenn wir aufhören, uns nur um unseren eigenen Kram zu kümmern. Immer nur über eine “Region von 360 Grad” zu schwadronieren, diese aber in der Praxis nicht zu leben und umzusetzen, raubt dieser deutsch-französischen Region die Glaubwürdigkeit. Es ist traurig zu sehen, dass wir am Oberrhein vor allem eine “Schönwetter-Kooperation” haben – die immer dann nicht funktioniert, wenn es um richtig wichtige Themen geht.

Der Eurodistrikt Straßburg-Ortenau, Keimzelle eines “europäischen Laboratoriums”, braucht nur mutige Politiker, entschlossene Projektträger und eine ausgezeichnete und innovative Kommunikation. Denn ansonsten wird diese Kooperation sinnlos. Wir müssen alle zusammen mehr Verantwortung für dieses zarte, deutsch-französische Pflänzchen übernehmen – denn ansonsten geht es ein. Was mehr als schade wäre.

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