Gedenken, Gedenken und Gedenken

An diesem Wochenende erinnert sich die Welt an jede Menge einschneidende Ereignisse. Die meisten davon waren übel, aber immerhin gab es auch ein positives Ereignis.

Diese Eilmeldung am Abend des 9. November 1989 sollte die Welt verändern. Foto: Writtenby / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Am Sonntag jährt sich zum 100. Mal das Ende des Ersten Weltkriegs, vorher jährt sich zum 80. Mal die Reichspogromnacht und ganz nebenbei feiern wir heute, am 9. November, auch noch den 29. Jahrestag des Falls der Mauer. Diese Erinnerungsarbeit ist wichtig, denn interessanterweise hängen diese drei Ereignisse sehr eng miteinander zusammen. Und hallo, der 9. November ist tatsächlich so etwas wie der „deutsche Schicksalstag“, denn am 9. November 1918 dankte Kaiser Wilhelm II. und die Weimarer Republik wurde ausgerufen und am 9. November 1923 scheiterte der Hitler-Putsch in München und während seiner Haft in der Festung Landsberg nahm das größte Unglück des letzten Jahrhunderts seinen Lauf.

Die immer wieder im November stattfindenden Wirren des letzten Jahrhunderts begannen früh. Abdankung von Wilhelm II. als klar war, dass der I. Weltkrieg verloren war, das Ende des fürchterlichen I. Weltkriegs, Hitlers Versuch in München zu putschen und die Reichspogromnacht, ein schlimmer Meilenstein auf dem Weg zur Shoah, zum Mord an Millionen Juden und anderer „Untermenschen“ in den Augen der Nazis. Doch das maue Image des Monats Novembers könnte retten, dass es den 9. November 1989 gab. Der Tag, an dem die Spannung in der DDR kulminierte. Als zwischen Freiheit und Blutbad nicht mehr als ein Sich-Verhaspeln von Günther Schabowski und die Besonnenheit der DDR-Grenzschutzsoldaten lagen.

Doch sind wir 29 Jahre nach dem Fall der Mauer ein einig Volk von Brüdern und Schwestern? Eher nicht. Im Gegenteil, man hat manchmal das Gefühl, dass der unsichtbare Graben zwischen Ost und West tiefer wird. Eine Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen den neuen und den alten Bundesländern ist noch lange nicht erreicht, obwohl viele Fortschritte gemacht wurden, doch geht heute ein politischer Riss durch die Republik. Der Osten hat durch die aggressiven Umtriebe glatzköpfiger Neonationalisten enorm an Attraktivität verloren und obwohl es diese Leute inzwischen auch vielerorts im Westen gibt, so kann man das Gefühl nicht abstreifen, als läge das Epizentrum dieses Neo-Nationalismus in Sachsen, dort, wo von „Pegida“ und anderen Gruppen widerlichen Parolen im „Stürmer-Duktus“ herumtragen werden und nur der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsschutzes denkt, es würde dort keine Hetzjagden auf ausländische Mitbürger geben. Irgendwie hat das noch eine andere Dimension als in den alten Bundesländern.

Aber feiern kann man diesen Aufstand des Volks dennoch, denn der einzige Weg, der zum Fall der Mauer führen konnte, war die absolute Gewaltfreiheit von Hundertausenden von Demonstranten, deren friedliche Entschlossenheit am Ende entwaffnender war als die Panzer und Truppen, die diesen Aufstand eigentlich niederschlagen sollten.

Als am Grenzübergang Bernauer Straße die Tore aufgingen, hatte das Volk ohne Blutvergießen ein 40 Jahre andauerndes Unrechtssystem weggefegt. Niemand wurde im Nachgang erschossen oder gehängt, ein paar schlimme Finger mussten für eine kurze Zeit ins Gefängnis und der Hauptverantwortliche durfte sich nach Chile verdrücken. Das Beispiel DDR zeigt, dass es immer möglich ist, Dinge in eine andere Richtung zu bewegen, sogar, wenn das aussichtslos erscheint.

Und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis dieses inzwischen historische Ereignis Schule machen wird. Denken wir also an den 9. November, als einen Tag des menschenverachtenden Nazi-Terrors und an das Gegenbeispiel, eine Revolution, die mit dem Ruf „Wir sind das Volk!“ einen ganzen Apparat in die Knie zwang!

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