Gefährliche Kinder

Immer mehr mörderische Zwischenfälle erschüttern momentan Frankreich. Dabei fällt auf, dass die Täter immer jünger werden. Dieses Phänomen muss dringend untersucht werden.

Jugendliche Straftäter wachsen in einem bereits von Gewalt geprägten Umfeld auf. Foto: Yann Gar / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Die Taten werden immer grausamer, die Täter immer jünger. Eine Welle brutalster Gewalttaten und Morde erschüttert gerade Frankreich, wobei die Täter und Täterinnen (ja, diese Gewalt betrifft auch junge Frauen) immer jünger werden. 13-, 14, 15-Jährige morden, erpressen, begehen Attentate. Diese Art der Gewalt ist durch nichts anderes motiviert als eine dramatische Absenkung der Gewaltschwelle – heute töten Kinder und Jugendliche für einen falschen Blick, ein falsches Wort oder einen nicht erwünschten Post in den sozialen Netzwerken.

Inzwischen gibt es fast jede Woche einen „weißen Marsch“, bei dem Menschen durch die Straßen ziehen und ihrer Trauer und Wut Ausdruck verleihen, wenn es wieder zu jugendlichen Todesopfern gekommen ist, wie letzte Woche in Argenteuil, wo zwei minderjährige Täter eine 14jährige zuerst halbtot schlugen und dann in die Seine warfen, wo das Mädchen ertrank. Dabei waren Planung und Ausführung dieser Tat minutiös geplant, ein Hinterhalt wurde organisiert und damit wird dieser Mord auch nach Jugendstrafrecht mit bis zu 20 Jahren Haft geahndet werden.

Am Wochenende meldete die Polizei, dass sie zwei ebenfalls Minderjährige festgenommen habe, die offenbar dabei waren, einen Terroranschlag vorzubereiten. Unwillkürlich denkt man an die letzten Attentate wie die Enthauptung des Lehrers Samy Paty oder auch den neuerlichen Anschlag auf die vermeintliche Redaktion von „Charlie Hebdo“ – auch hier waren die Täter 18 und 19 Jahre alt.

In den Vorstädten ist diese Jugend völlig auf sich alleine gestellt. Häufig Einwandererkinder der dritten Generation, wachsen diese Kinder und Jugendlichen in einer Welt auf, in denen ihnen jegliche Fixpunkte und Vorbilder fehlen. Oft leben diese Kinder und Jugendlichen in Familien, in denen niemand arbeitet, es keine festen Zeiten gibt, niemand eine Vorbildfunktion ausübt und das in Vierteln, in denen bereits 13jährige bis zu 500 € am Tag im Drogenhandel verdienen.

Diese Kinder und Jugendlichen ändern zu wollen, das wird nicht mehr funktionieren. - Es sind die Lebensumstände dieser Generation, die dringend verändert werden müssen. Daher wird man nicht umhin kommen, eine zweigleisige Strategie zu fahren – Repression und Prävention. Gegen die Gewaltexzesse muss mit einer Zero-Tolerance-Politik vorgegangen werden, doch nützt Repression nichts, wenn nicht parallel entsprechende Präventionsangebote gemacht werden.

Dabei geht es nicht nur um „Radikalisierung“, denn diese jugendlichen Täter sind keineswegs ideologisch manipuliert worden. Dass der eine oder andere Täter „Allah akbar“ brüllt, und versucht sich als „Gotteskrieger“ aufzuführen, ist lediglich Show. Diese jungen Leute, die Drogen und Alkohol konsumieren, noch nie im Leben eine Seite von „Charlie Hebdo“ gesehen haben, sind keine politisch-religiös motivierten Täter, sondern verrohte Kinder und Jugendliche, die in ihrem Lebenskontext meistens selbst Opfer von Gewalt geworden sind und die in einem Umfeld aufwachsen, in dem nur der Brutalste und Gemeinste ein Plätzchen an der Sonne ergattern kann.

Wir sind gerade dabei, befeuert auch von der aktuellen Pandemie, den Zugriff auf eine ganze Generation in den Vorstädten zu verlieren, beziehungsweise haben wir ihn bereits verloren. Die Fehler der Vergangenheit zu reparieren, wird lange dauern, viel Geld und Anstrengungen kosten. Und dennoch gibt es keine Alternative zu einem solchen Vorgehen, denn der Anstieg roher Gewalt unter Kindern und Jugendlichen ist nicht mehr wegzudiskutieren. Repression und Prävention. Und zwar schnell.

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