Gegen die da oben kann man eh nichts machen… denkste!
Am 5. März 1981 räumte das Göppinger SEK den besetzten Schwarzwaldhof in Freiburg. Doch was diese Räumung an gesellschaftlichen Veränderungen auslösen sollte, das hatte niemand gedacht.
(KL) – Ohne den 5. März 1981 wäre Freiburg heute nicht die Stadt, die Freiburg ist. Was nach der damaligen Räumung des alternativen Kulturzentrums „Schwarzwaldhof“ in Freiburg passierte, war der Auftakt zu einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderung, die heute noch in Freiburg nachhallt. Man sollte nie die Macht und die Phantasie der Straße unterschätzen, denn wenn die Bevölkerung wirklich entschlossen ist, dann können nicht einmal 4000 hungrige Polizisten einer Sondereinheit viel ausrichten.
Die Geschichte: Nach der Besetzung eines Bürokomplexes in der Freiburger Schreiberstraße, entwickelte sich in Freiburg Ende der 70er Jahre eine hoch politisierte Hausbesetzerbewegung. So wurde unter anderem der „Schwarzwaldhof“ besetzt, der sowohl alternatives Kulturzentrum, als auch Wohnraum war. Im Morgengrauen des 5. März 1981 umstellten Polizeikräfte des SEK (Sondereinsatzkommando) Göppingen den „Schwarzwaldhof“. Am Vorabend, nach einer anderen Hausbesetzung in Freiburg am 4. März und der Ankunft großer Polizeikräfte in Freiburg, lieferten die Freiburger Autonomen leider selbst den Vorwand für die am 5. März folgende Räumung des „Schwarzwaldhofs“ – einige Hundert ziemlich radikaler Hausbesetzer zogen durch die Freiburger Innenstadt und veranstalteten dort die „Scherbennacht“, bei der zahlreiche Schaufensterscheiben zu Bruch gingen. Das war genau der Vorwand, den das SEK brauchte, um den „Schwarzwaldhof“ zu räumen und einige der prominentesten Bewohner festzunehmen.
In Baden-Württemberg herrschte damals eine Zero-Tolerance-Politik gegenüber Hausbesetzern. „Keine Hausbesetzung länger als 24 Stunden!“, tönte damals Ministerpräsident Lothar Späth und somit schien der Stuttgarter Landesregierung die Räumung die richtige Maßnahme zu sein. Hätte Lothar Späth damals geahnt, dass er damit eine gesellschaftliche Veränderung auslöste, die 20 Jahre später dazu führen sollte, dass Freiburg als erste deutsche Großstadt einen grünen Bürgermeister erhielt, dann hätte er auf diesen Polizeieinsatz vermutlich verzichtet.
Denn nach der Räumung begann eine Demonstrationswelle, die in der Freiburger Geschichte bis heute beispiellos ist. Rund 4000 humorlose Polizisten, die zwei Wochen lang die Bevölkerung schikanierten, schmeckten den Freiburgern überhaupt nicht. Zwei Wochen lang fanden täglich Demonstrationen statt, an denen bis zu 20 000 Teilnehmer ihre Solidarität mit der Freiburger Jugend ausdrückten. Diese massive Gegenbewegung führte dazu, dass die Stadt der alternativen Szene Angebote zur Befriedung machte. Es wurden Ersatzräume für den „Schwarzwaldhof“ angeboten, Underground-Kneipen wie das „Crash“ wurden umgesiedelt und wurden zu Institutionen der Freiburger Szene.
Diese Entwicklung wäre ohne die massiven Proteste nicht möglich gewesen. Die zwei Wochen der Demonstrationen stellten einen Generationswechsel dar und was sich daraus ergab, war ein gesellschaftliches Umdenken. Zucht und Ordnung waren plötzlich nicht mehr die Leitmotive des gesellschaftlichen Lebens, dafür standen neue Wege und Kreativität plötzlich hoch im Kurs.
Und warum erinnern wir seit fast 15 Jahren an jedem 5. März an dieses Ereignis? Weil es eine wichtige Botschaft enthält – gesellschaftliche Änderungen werden in der Regel nicht von denen initiiert, die gerade an der Macht sind, sondern von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich artikulieren. Auch auf der Straße.
Wenn der Staat in solchen Situationen mit schierer Gewalt antwortet, diskreditiert er sich selbst und stärkt damit die Solidarität mit denen, die ein „gerechtes“ Anliegen haben. Dies ist auch auf die heutige Situation mit ihren zahlreichen Krisen übertragbar. Es wird Zeit, dass sich die Menschen ausdrücken, Forderungen formulieren und dann auch ihr Wahlverhalten ändern.
Nichts ist in Stein gemeißelt und es wird Zeit, dass sich die Menschen ihrer Macht erinnern, statt immer nur zu denken „die da oben machen eh, was sie wollen“. Das machen sie nämlich nur so lange, wie wir sie machen lassen…
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