Gehe zurück auf „Los“ – ziehe keine 4000 € ein…
In Frankreich geht die Suche nach einem neuen Regierungschef von Macrons Gnaden von vorne los. Einfacher wird es auf keinen Fall werden.

(KL) – Fast drei Monate hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Sommer und Frühherbst nach einem Regierungschef gesucht, der seinen Vorstellungen entspricht. Auffallend war damals, dass sich Macron kein bißchen um die Ergebnisse der von ihm veranlassten vorgezogenen Parlamentswahlen kümmerte, sondern den „Macron-kompatiblen“ Michel Barnier ernannt hatte, dessen Partei bei den Wahlen gerade mal auf 6 % der Stimmen gekommen war. Nachdem letzte Woche die Regierung Barnier gestürzt worden war, geht das ganze Spektakel nun wieder von vorne los.
Auch die hübsche Feier zur Wiedereröffnung der Kathedrale Notre Dame in Paris konnte das Image dieses inzwischen bei einer großen Mehrheit der Franzosen unbeliebten Präsidenten nicht verbessern und in den letzten Tagen fiel auf, dass Macron weiterhin alles versucht, seine längst abgewählte „Macronie“ über die Zeit zu retten. Dabei setzt er alles daran, die linke „Neue Volksfront“ (NFP) zu sprengen, was ihm offensichtlich wichtiger ist, als Frankreich wieder regierbar zu machen. So rief er die Sozialisten der PS auf, sich seiner „macronistischen“ Minderheit im Parlament anzuschließen und somit die „Neue Volksfront“ im Stich zu lassen.
Dieser Versuch, die „NFP“ zu spalten, hat durchaus Chancen, was daran liegt, dass innerhalb dieser „Neuen Volksfront“ die linksextreme „La France Insoumise“ (LFI) nur noch durch abstruseste Aussagen von sich reden macht. Wie die Sozialisten weiter mit einer extremistischen LFI zusammenarbeiten wollen, die nicht nur den Strafbestand der „Verherrlichung des Terrorismus“ aus dem Strafgesetzbuch streichen will, sondern deren Führer Jean-Luc Mélenchon jahrelang den syrischen Diktator al-Assad unterstützte, ist schleierhaft. Nur – sollten sich die Sozialisten tatsächlich der „Macronie“ anschließen, der eine Art Koalition bis hinein ins ultrarechte Lager vorschwebt, machen sie sich auf lange Jahre hinaus für ihre angestammte Wählerschaft unwählbar und würden somit dazu beitragen, was Macron seit geraumer Zeit betreibt – das Bett für die Rechtsextremen vorzubereiten.
Und so beginnen nur wieder die „Sondierungen“, zu denen Macron diejenigen Parteien einlädt, die ihm passen. Dabei geht es nur um eines – die ausgediente „Macronie“ so lange wie möglich über die Zeit zu retten, wobei Macron offensichtlich solche Details wie Wahlergebnisse vollkommen egal sind. Doch hat sich natürlich in der Zwischenzeit nichts an den Kräfteverhältnissen in der Nationalversammlung geändert, so dass klar ist, dass auch der nächste Macron-kompatible Regierungschef bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in die Wüste geschickt werden wird.
Dass Macron diejenigen, die seine duchschaubaren Macht-Manöver nicht mittragen wollen, als „schlechte Franzosen“ und „schlechte Republikaner“ verunglimpft, macht es auch nicht besser – denn derjenige, der die Prinzipien der Republik ignoriert und stattdessen einen undemokratischen, geradezu monarchistischen Regierungsstil an den Tag legt, ist er selbst.
Allerdings kann es auch sein, dass das alles Kalkül ist. Vielleicht will Macron noch einen oder zwei neue Regierungschefs verheizen, bevor er dann den Verfassungsartikel 16 zieht, eine Art „Ermächtigungsgesetz“, das es dem Präsidenten ermöglicht, ohne Regierung und Parlament zu herrschen. Das einzige Kontrollorgan in diesem Falle wäre der von Macron kontrollierte Verfassungsrat, der allerdings dann die Entscheidungen des allmächtigen Präsidenten lediglich intern (und nicht öffentlich!) kommentieren darf, aber keinerlei Befugnis hat, dem Präsidenten in den Arm zu fallen.
Und nun gehen also wieder die ewig gleichen Debatten los, Macron wird es genießen, seine aktuellen und vielleicht zukünftigen Erfüllungsgehilfen in seinem Palast zu empfangen, bevor er dann erneut eine einsame Entscheidung trifft, die nichts mit einem demokratischen Prozess zu tun haben wird. Der Umstand, dass sich inzwischen mehr als zwei Drittel der Franzosen den Rücktritt dieses Präsidenten wünschen, der Frankreich in die größte politische, wirtschaftliche und moralische Krise der V. Republik geführt hat, interessiert Macron herzlich wenig. Denn nach wie vor ist der Mann davon überzeugt, von Gottes Gnaden zum Herrscher über die Franzosen gemacht worden zu sein – dass er „nur“ der erste Angestellte des französischen Volks ist, das versteht er nicht und wird es auch zukünftig nicht verstehen. Armes Frankreich.
Kommentar hinterlassen