Gehirnwäsche aus Washington und aus Moskau

In der Ukraine wird nur noch schwarz-weiß gemalt. Bolschewiken gegen Faschisten. Man könnte meinen, der II. Weltkrieg sei noch nicht vorbei.

Dass gestern an dieser Straßensperre in Sloviansk statt der russischen Fahne die Fahne Ostfrieslands wehte, gehört zu den Randnotizen dieses Konflikts. Foto: Aleksandr Sirota / Wiki Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Das Schlimme in der Ukraine ist, dass die Menschen, die dort leben, von den Großmächten so manipuliert werden, dass sie meinen, sie müssten sich auf eine „Schicksalsschlacht“ vorbereiten. Historische und heute längst nicht mehr zutreffende Stereotypen werden aus der Propagandakiste geholt und so, wie Moskau und Washington mit den Säbeln rasseln, steuert diese Region unaufhaltsam auf einen Krieg zu. Leidtragende werden vor allem die Ukrainer sein.

Eines ist völlig klar – beide Großmächte lügen im Ukraine-Konflikt, dass sich die Balken biegen. Beide Seiten greifen zu extremen Mitteln, um die Ukrainer zu manipulieren. Ob es nun die „pro-russischen“ Separatisten im Osten sind, die ein ausgebranntes Fahrzeug angeblicher westlicher „Agents provocateurs“ präsentieren, bei dem wundersamerweise weder die Nummernschilder, noch die Stapel druckfrischer Dollarnoten (aus dem Inneren des völlig ausgebrannten Fahrzeugs!) auch nur ein wenig Russ abbekommen haben, ob es die „pro-westlichen“ Kräfte sind, deren Propaganda ebenso jämmerlich und durchschaubar ist wie die im Osten – alle zerren an den Ukrainern.

Aber wer hat festgelegt, dass sich die große Ukraine, immerhin das zweitgrößte Flächenland Europas, für eine der beiden Seiten entscheiden muss? Warum gibt man der Ukraine nicht die Zeit, um zu sprechen und um eine gemeinsame Zukunft für das Land zu entwickeln? Doch die USA und Russland wollen offensichtlich einen Krieg. Das „Genfer Abkommen“ war eine reine Augenwischerei, die zu keinem Zeitpunkt von den Parteien ernst genommen war. Dieses Abkommen wäre nie zustande gekommen, wenn das Treffen in Genf nicht an einem Gründonnerstag stattgefunden hätte. Weder die Amerikaner, noch die Russen hatten Lust, vor Ostern als die Kriegstreiber der Welt dazustehen – zu jedem anderen Zeitpunkt wäre Genf ergebnislos abgebrochen worden.

Beide Seiten rüsten sich für einen Krieg. Die Russen konzentrieren weiter ihre regulären Truppen an der Grenze zur Ukraine, während in der Ukraine die gleichen abzeichenlosen russischen Soldaten unterwegs sind, die bereits auf der Krim gefilmt und fotografiert wurden – die NATO schickt Flottenverbände in Richtung Baltikum und in Kiew sind jede Menge Spezialkräfte unterwegs, deren Aufgabe ebenso wenig friedfertig ist wie die der russischen Provokateure.

In diesem Konflikt gibt es keine „Guten“ und keine „Bösen“ mehr. Es gibt nur noch Interessensgruppen, deren Vorstellungen von der Zukunft der Ukraine derartig unterschiedlich sind, dass sie kaum zusammen gebracht werden können.

Erstaunlich, dass es immer noch Menschen gibt, die den Erklärungen der Putins, Lavrovs, Obamas oder Kerrys Glauben schenken. Der Wahrheitsgehalt der Aussagen dieser Herren bewegt sich auf der Ebene der Aussage eines gewissen Walter Ulbricht, der noch wenige Tage vor dem Berliner Mauerbau vollmundig erklärte, dass „niemand die Absicht habe, eine Mauer zu bauen“. Warum dennoch Intellektuelle im Westen der Ansicht sind, dass Vladimir Putin eine Art Friedensengel sei, der lediglich historische Fehlentscheidungen aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts korrigiert, bleibt rätselhaft.

Doch was wird nun passieren, wenn die nächste Eskalationsstufe erreicht wird? Das Szenario ist schon geschrieben. Putin wird seine nächste große Militäraktion als eine Art „humanitären Einsatz“ darstellen und Truppen in den Osten der Ukraine schicken, als Reaktion auf „Hilferufe russischer Bürger in der Ukraine“. Die NATO wird entsprechend reagieren und ebenfalls Truppen entsenden. Merkel, Ashton, Hollande & Co. werden dies „nachdrücklich verurteilen“ und abwarten, was passiert. Ach ja, vermutlich werden auch die Außengrenzen der EU massiv verstärkt werden, um den Zustrom von ukrainischen Flüchtlingen nach Polen und in die EU einzudämmen.

Es gibt nur noch einen Weg, den GAU zu vermeiden – ALLE Großmächte (USA, Russland, EU) müssen sofort die Finger von der Ukraine lassen und endlich ein Moratorium einziehen, dass es der Ukraine ermöglicht, sich an einen Tisch zu setzen und zu verhandeln. Aber wo sind die Organisationen, die ein solches Moratorium umsetzen könnten? Wo sind die Kirchen, die internationalen Einrichtungen wie UNO oder Europarat? Wo sind die mutigen Politiker, die sich auf die Plätze in Kiew, Donezk und anderswo setzen und als „menschliche Schutzschilde“ die Menschen in der Ukraine schützen?

Doch leider sind die Kriegstreiber mit ihren Lobbys zu stark. Ein Krieg in der Ukraine, das bedeutet Big Business, nicht nur für Russland und die USA, sondern auch für Deutschland und Frankreich – in beiden Ländern arbeiten zusammen fast eine Viertelmillion Menschen in der Rüstungsindustrie und um diese Arbeitsplätze zu sichern, käme ein solcher Krieg hoch gelegen.

Worauf Putin wirklich hinaus will, ließ er gestern durchblicken. „Ich hoffe, dass ich nicht gezwungen sein werde, eine Invasion der Ukraine anzuordnen“, sagte der Friedensengel aus dem Kreml. Dafür wolle er sich aber erst ein entsprechendes Mandat von der Förderation der GUS-Staaten holen. Als ob es eine Stelle auf der Welt gäbe, die Überfälle auf Nachbarstaaten genehmigen könnte. Aber immerhin klingt das doch schon anders als das ewige „Wir wollen keinesfalls auf ukrainischem Territorium intervenieren“, mit dem die Herren Lavrov und Putin seit Wochen weite Teile der so genannten westlichen Intelligenz an der Nase herum führen.

Und seltsam – in früheren Jahrzehnten gab es bei uns eine „Friedensbewegung“, die mit vielen pfiffigen Aktionen unterwegs war. Aber heute sieht es so aus, als sei Frieden gar keine interessante Option für die Großmächte mehr. Putin denkt laut über eine „Invasion“ in der Ukraine nach und die NATO sendet Flottenverbände. Der Krieg in der Ukraine hat längst begonnen.

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