Geht es jetzt den SUVs an den Kragen?

In Frankreich wie in Deutschland wollen die Grünen jetzt Ernst machen und suchen nach dem Ausstieg aus den grobschlächtigen Geländewagen (SUV). Das wird interessant.

In den Weiten Kanadas versteht man ja den Einsatz von SUV noch, aber auf Europas Strassen sicher nicht. Foto: Doctor Digger Shrew ... / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Was haben die grüne Präsidentschaftskandidatin Sandrine Rousseau und der grüne Tübinger OB Boris Palmer gemeinsam? Sie wollen die 4×4-Geländewagen langsam, aber sicher abschaffen. Um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen, gehen sie allerdings verschiedene Wege.

Tübingen geht den Weg über den Geldbeutel. Da die Städte und Kommunen seit Juli selbst die Tarife für Anwohner-Parkausweise bestimmen dürfen, hat Tübingen diese für SUV-Fahrer ab Anfang 2022 deutlich erhöht, von 120 € im Jahr auf 180 €. Dies gilt für Verbrenner ab 1800 kg, aber auch für Elektro-SUVs ab einem Gewicht von 2000 kg. Der Grund ist klar – SUVs gehören zu den Fahrzeugen, die am meisten CO2 und Feinstaub in die Luft blasen. In der heutigen Zeit sind diese Fahrzeuge eigentlich ein Anachronismus, ein „Potenzsymbol“ für urbane Möchtegern-Abenteurer.

In Frankreich hat Sandrine Rousseau, die sich im ersten Wahlgang der grünen Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl 2022 für die Stichwahl gegen Yannick Jardot qualifiziert hat, einen etwas radikaleren Ansatz. Sie will SUVs schrittweise verbieten. Punkt. Dagegen laufen zwar jetzt die Autofahrerverbände Sturm, doch deren Argumentation ist ziemlich dünn. So erklärte eine Sprecherin eines Autofahrerverbands, dass „die Leute eben SUVs kaufen wollen und das kann man ihnen doch nicht verbieten“. Mit dem Argument müsste man aber auch den Verkauf von Heroin legalisieren, denn offenbar gibt es Kunden, die so etwas kaufen wollen.

Doch was viele Menschen als „grüne Gängelung“ empfinden, ist in Wahrheit ein Schritt in Richtung einer dringend erforderlichen, gesellschaftlichen Veränderung. Angesichts der Klimakatstrophen und der Ankündigung führender Wissenschaftler, dass der Klimawandel bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer Klimaerwärmung von 2,7 Grad (!) führen wird, müssen wir unser Verhalten ändern. Denn eine solche Klimaerwärmung führt nach verschiedenen Modellen dazu, dass die Meeresspiegel um bis zu 84 cm ansteigen werden, da die Pole weiterhin abschmelzen werden. Was dies für Länder wie die Niederlande, aber andere Küstenregionen Europas bedeutet, kann man sich ausrechnen – rund die Hälfte der Niederlande befindet sich bereits heute unter dem Meeresspiegel und wird durch ein aufgefeiltes Deich- und Schleusensystem vor der Überflutung geschützt. Doch wenn der Meeresspiegel um 84 cm steigt, dann nützen auch die besten Deiche nicht mehr.

Ja, sagen die Autofahrerverbände, aber der Individualverkehr macht nur 8 % an der jährlichen Umweltverschmutzung aus, deswegen sollte man erstmal etwas anderes machen. Beispielsweise den Ausbau von Car-Sharing-Systemen und anderes. Nur, das sind Maßnahmen, die nicht passieren. Man muss dort anfangen, wo man konkret etwas bewegen kann, Beispiele geben und eben loslegen.

Ständig Klimakonferenzen zu organisieren, auf denen neue, ambitionierte Umweltziele ausgegeben werden, macht wenig Sinn, zumal die bisherigen Klimaziele ja auch alle verfehlt worden sind. Das Klima werden wir nicht durch Reden und Konferenzen retten, sondern durch konkrete Maßnahmen. Wie beispielsweise das Abschaffen von SUVs und die systematische Einführung von Wasserstoff-Motoren. Und natürlich muss die Industrie in die Pflicht genommen werden. Der Handel mit „Verschmutzungs-Zertifikaten“ muss eingestellt werden und die verschmutzenden Industrien müssen angehalten werden, entsprechende Filteranlagen und andere Vorrichtungen zu installieren, wobei es ja durchaus denkbar ist, diesen Industrien dabei finanziell zur Seite zu stehen. Nur – es muss gehandelt werden, jetzt, sofort und überall dort, wo es möglich ist.

Man sollte auch tunlichst vermeiden, mit Begriffen wie „punitiver Ökologie“ um sich zu werfen. Seit Jahrzehnten ruinieren wir diesen Planeten und erwarten, dass andere dieses Problem für uns lösen. Im Prinzip sind alle für Klimaschutz, aber eben nur, wenn sich nichts für einen selbst ändert. Nur – das funktioniert eben nicht.

Dass nun Politiker in Deutschland wie in Frankreich Maßnahmen ergreifen oder planen, gegen die klimatötende Umweltverschmutzung vorzugehen, ist ein Signal. Ein Signal für einen Aufbruch. Denn mit „weiter so!“ sorgen wir nur dafür, dass es zum Ende des Jahrhunderts eine riesige Flüchtlingswelle aus den Niederlanden gibt. Und das will ja nun auch niemand…

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