Gelbwesten vs. Rote Halstücher
Am Wochenende steht bei den französischen „Gelbwesten“ der „Akt XI“ auf dem Programm. Aber nicht nur das. Auch die „Roten Halstücher“ werden demonstrieren. Hoffentlich ohne Straßenschlachten.

(KL) – Die Krise in Frankreich geht weiter. Trotz der inzwischen angelaufenen „Großen nationalen Debatte“, in deren Rahmen Reformvorschläge für die Regierung in Paris erarbeitet werden sollen, trotz des Erstellens einer ersten Wahlliste der „Gelbwesten“ für die Europawahl, wollen die radikalen Elemente der „Gelbwesten“ am Wochenende wieder demonstrieren. Angesichts der zunehmenden Radikalisierung derjenigen „Gelbwesten“, die weiterhin einen konstruktiven Dialog ablehnen und stattdessen zum „Volksaufstand“ aufrufen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommen wird. Doch nachdem die „Gelbwesten“ am Samstag demonstriert haben werden, sind am Sonntag die „Roten Halstücher“ dran – mit einem ebenfalls landesweit organisierten Protestmarsch gegen Gewalt und Zerstörung.
Wird es am Sonntag zu Straßenschlachten zwischen den radikalen Elementen der „Gelbwesten“ und den „Roten Halstüchern“ kommen? Nach fast zweieinhalb Monaten der Proteste, der gewalttätigen Demonstrationen, der Blockaden an den Verkehrskreiseln haben viele Franzosen die Nase voll von diesem „Ausnahmezustand“, der langsam zum sinnlosen Dauerzustand wird. Die Gespräche zwischen Bevölkerung und Regierung laufen, die vernünftigeren „Gelbwesten“ organisieren sich gerade, um eine Liste bei der Europawahl zu präsentieren und dennoch marschieren weiter an den Wochenenden „Gelbwesten“ durch die Innenstädte und grölen, dass sie gehört werden wollen. Dabei hört man seit zweieinhalb Monaten niemand anderen mehr in Frankreich. Da diese Teile der „Gelbwesten-Bewegung“ eigentlich nur die Forderung haben, dass Präsident Macron zurücktritt und Frankreich zu einer Art „Populär-Diktatur“ werden soll, sind ihre lauten Spaziergänge an den Wochenenden inzwischen völlig überflüssig und nerven den Rest der Bevölkerung, die genau dies am Sonntag kundtun wird.
Am Wochenende könnten also zwei Frankreichs aufeinandertreffen. Das Frankreich, das der Ansicht ist, dass der Staat sie malträtiert (interessant – Frankreich ist das Land auf der Welt, das prozentual zum BIP die höchsten Sozialausgaben hat…) und das Frankreich, das keine Lust mehr hat zuzusehen, wie diese Bewegung nach und nach das Image, die Wirtschaft und den Zusammenhalt Frankreichs zerstört.
Dass Frankreich dringend einen sozialen Fortschritt braucht, wird inzwischen von praktisch niemandem mehr in Frage gestellt. Wer jetzt nicht mit an den Gesprächstischen sitzt, der zeigt damit deutlich, dass es ihm eben nicht um diesen Fortschritt geht, sondern um einen Umsturz – und es ist klar, dass der französische Staat genau das nicht zulassen wird. Was ja auch irgendwie verständlich ist. Die Vorstellung, dass Emmanuel Macron im Elysee-Palast die Koffer packt und beim Verlassen einer „Gelbweste“ die Schlüssel in die Hand drückt, ist dann doch reichlich abenteuerlich.
Nur – was wird am Sonntag passieren? Werden genervte „Gelbwesten“ und ebenso genervte „Rote Halstücher“ aufeinander treffen? Wird es Auseinandersetzungen geben? Wird sich Frankreich noch weiter in die Krise reiten? Wird sich der Ton noch weiter verschärfen, werden Extremisten weiterhin versuchen, diese gelbe Bewegung als Plattform für ihre Gewaltexzesse zu nutzen, bei denen es nur darum geht, Frankreich in seinen Grundfesten zu erschüttern?
Der kommende Samstag und der kommende Sonntag werden zeigen, wohin die Reise gehen wird. In der ersten Februarwoche droht bereits ein „Generalstreik“, mit dem Frankreich dann endgültig ins Chaos gerät. Wie es die Regierung schaffen will, trotz der wirtschaftlichen Rückschläge, die sich aus dieser Situation ergeben werden, die ohnehin bereits höchsten Sozialausgaben der Welt noch weiter zu erhöhen, steht in den Sternen. Ebenso wie das, was wir am Wochenende auf Frankreichs Straßen und in den Städten erleben werden. Hoffen wir, dass alles friedlich bleibt.
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