Gesellschaftliche Veränderungen beginnen im Kleinen

Am 5. März 1981 wurde in Freiburg das besetzte Kulturzentrum „Schwarzwaldhof“ von der Polizei geräumt. Damals ahnte niemand, welche Konsequenzen das haben würde.

Die überzogene Polizeigewalt führte in Freiburg zum Gegenteil dessen, was sie bezwecken sollte. Foto: Historischer Zeitungsausschnitt

(KL) – Wie jedes Jahr erinnern wir auch heute an die Räumung des „Schwarzwaldhofs“ in Freiburg in den frühen Morgenstunden des 5. März 1981. Diese Räumung war war die Reaktion des Staats auf eine Reihe neuer Hausbesetzungen an den Tagen zuvor, die der Landesregierung unter Lothar Späth einen prächtigen Vorwand lieferten, den „Schwarzwaldhof“ zu räumen. Doch das, was der Staat dadurch zu erreichen versuchte, entwickelte sich ganz anders. Aus der braven Provinzstadt Freiburg wurde die „grüne Hauptstadt“ der Republik, in der sich alternative Lebensformen ganz anders entwickeln konnten als anderswo.

Die älteren Semester werden sich erinnern – nach der Räumung des „Schwarzwaldhofs“ begann eine Protestwelle, wie sie Freiburg bis dato nicht gekannt hatte. Trotz der Belagerung der Stadt durch 4000 (!) SEK-Elitepolizisten fanden zwei Wochen lang täglich zwei Demonstrationen mit bis zu 20.000 Teilnehmern statt, die nicht nur das Ende der völlig überzogenen Polizeigewalt in diesen Wochen forderten, sondern auch die Bereitstellung alternativer Räumlichkeiten als Kulturzentrum und Begegnungsstätte der Freiburger Jugend. Unterstützt wurden diese Proteste von sehr vielen Menschen, nicht nur Studenten und jungen Leuten, sondern auch von „ganz normalen“ Bürgern.

Diese Protestbewegung ließ sich nicht „militärisch“ lösen und als die Polizeikräfte nach einigen Wochen wieder abzogen, war in der Freiburger Gesellschaft ein kleines Pflänzchen eines alternativen Lebensstils eingepflanzt, das mit den Jahren wuchs und dazu führte, dass Freiburg heute das ist, was es ist. Ohne diesen 5. März 1981 gäbe es heute in Freiburg die Grether-Fabrik nicht mehr, der Öko-Stadtteil „Vauban“ wäre nie entstanden, Freiburg wäre nicht die erste deutsche Großstadt mit einem grünen Bürgermeister geworden. Noch heute sitzen im Freiburger Gemeinderat Vertreter aus dieser Zeit, der „Geist des 5. März“ hat überlebt, obwohl sich die meisten Menschen darüber nicht im Klaren sind.

Es ist wichtig, sich solcher Tage zu erinnern, denn gerade in den Wirren der heutigen Zeit ist diese Erinnerung ein Zeichen, dass gesellschaftliche Änderungen auch im Kleinen losgetreten werden können. Wichtig war damals, dass die Demonstranten überwiegend friedlich protestierten, während die Polizei mit ungezügelter Gewalt auf Demonstranten und einfache Bürger losging. Damit waren schnell die Fronten zwischen „gut“ und „böse“ geklärt und die Verwaltung hatte keine andere Wahl mehr, als die Forderungen der Demonstranten zu erfüllen. Zunächst wurde das „Marienbad“ als Übergangslösung bereitgestellt, wenig später das „Autonome Zentrum“ im Glacisweg. Aber das ist eine andere Geschichte.

Heben wir also unser Glas auf den 5. März vor 29 Jahren, auf die Zivilcourage der Menschen, auf die Entschlossenheit, sich für die richtige Sache zu engagieren, auf den Glauben daran, dass es möglich ist, die Gesellschaft zum Besseren zu verändern!

2 Kommentare zu Gesellschaftliche Veränderungen beginnen im Kleinen

  1. Michael Magercord // 5. März 2020 um 11:05 // Antworten

    …ich will ja nicht altklug wirken, aber, lieber Kai: das ist nicht erst 29, sondern schon neunundDREISSIG Jahre her. Bleibt natürlich trotzdem ein Grund, ein Gläschen zu erheben auf das Zeitgefühl der 80er Jahre – so fern und – wer weiß – vielleicht auch wieder nah…

    • Eurojournalist(e) // 5. März 2020 um 15:14 // Antworten

      Oh Mann, Michael, das macht uns jetzt auch nicht jünger… 39 Jahre schon… und wenn ich mir das Bild anschaue, erkenne ich darauf unsere halbe WG von damals… Nostalgie, quand tu nous tiens…

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