Gewalt gegen Frauen ist ein allgegenwärtiges Problem

Heute ist der Internationale Tag für die Beendigung von Gewalt gegen Frauen. Doch genau die findet täglich weltweit statt. Nicht nur bei den anderen.

Gewalt gegen Frauen ist ein vielschichtiges Problem. Man muss sowohl die Symptome, als auch die Ursachen bekämpfen. Foto: Wikimedia Commons / PD

(KL) – Pünktlich zum „Internationalen Tag für die Beendigung von Gewalt gegen Frauen“ hielt es der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan für angebracht, in Istanbul eine viel beachtete Rede zur Rolle der Frau in der Gesellschaft zu halten. „Frauen und Männer sind von Natur aus nicht gleich“, donnerte er vom Rednerpult, „Frauen sollen drei Kinder bekommen und sich nicht an Arbeiten versuchen, für die sie viel zu zart sind.“ Genau bei solchem Gedankengut beginnt die Gewalt gegen Frauen.

Es muss gar nicht so spektakulär sein wie in Indien, wo offensichtlich Massenvergewaltigungen inzwischen so etwas wie ein schreckliches Kulturgut geworden sind, es muss auch nicht so extrem sein wie bei den Steinzeitkriegern des IS, die Frauen versklaven, verkaufen und „natürlich“ vergewaltigen, es muss nicht so entsetzlich sein wie in Nigeria, wo ebenso durchgeknallte Terroristen von Boko Haram ganze Schulklassen von Mädchen entführen und zu Bräuten dieser Kriminellen machen – Gewalt fängt im Alltag an.

In dröger Amtssprache definierte 1993 die UNO, was Gewalt gegen Frauen ist. „ Jeder Akt der Gewalt gegen Frauen, bei der Frauen zu Schaden kommen oder physische Schmerzen erleiden, einschließlich der Androhung solcher Akte, Zwang oder willkürliche Freiheitsberaubung, ob privat oder im öffentlichen Raum.“ Das klingt allerdings so, als hätten sich 25 männliche Anwälte an dem Thema abgearbeitet. Doch ganz korrekt ist diese Definition nicht – Gewalt gegen Frauen setzt weitaus früher ein als in dem Moment, in dem eine Frau konkret mit Gewalt bedroht wird.

Gewalt gegen Frauen beginnt in den Köpfen von Männern, lange bevor sie sich den Weg in Handlungsstränge bahnt. Gewalt gegen Frauen beginnt in der Erziehung, in der Werbung, an der Bushaltestelle oder bei geschmacklosen Kursen, bei denen verhaltensgestörte Männer angeblich lernen sollen, wie man „Frauen führt“, sprich, ins Bett zwingt. Der eigentliche Akt der Gewalt ist das letzte Element in einer Kette von Fehlentwicklungen, der Ausdruck dessen, was zuvor bereits schief gelaufen ist.

Ob es der dämliche Blondinenwitz ist oder der Besuch in der Nacktbar, ob es das abwertende Einschätzen von Frauen durch angetrunkene Männerrunden ist, ob es Fernsehsendungen sind, in denen Frauen in ein bestimmtes Rollenverhalten gepresst werden. Ob es die Tatsache ist, dass Frauen, man glaubt es kaum, selbst im Jahr 2014 nicht das gleiche Geld für gleiche Arbeit verdienen, ob es die dümmliche Anmache am Arbeitsplatz oder Sätze wie „Frauen können eh nicht einparken“ sind – all das ist der Nährboden, auf dem Gewalt gegen Frauen gedeiht.

An so einem „Internationalen Tag für die Beendigung von Gewalt gegen Frauen“ sollte man(n) einmal kurz innehalten und sich überlegen, an welcher Stelle man(n) selbst Gewalt gegen Frauen ausübt. Denn mit der Sozialisierung, die wir Jungs erfahren, ist die Gewalt gegen Frauen von vornherein gleich mit eingebaut.

Es geht nicht darum, sich das Haupt mit Asche zu bestreuen und den Mega-Softie ‚rauszuhängen – es geht darum zu verstehen, was man besser machen kann. Und auch Frauen können einen Teil dazu beitragen, einen gesellschaftlichen Wandel zu diesem Thema herbeizuführen. Zum Beispiel, indem sie sich fragen, welche Elemente in der Erziehung von Jungen die klassischen Rollenbilder transportieren und damit selbst für die Fortführung dieser Gewaltmechanismen sorgen.

Und eines ist klar – während man natürlich die Symptome der Gewalt gegen Frauen mit allen Mitteln bekämpfen muss, nützt das alles nichts, solange man die Ursachen unangetastet lässt. Dann kommen nämlich solche Ungeheuerlichkeiten wie die Aussagen von Erdogan heraus. Ansonsten wünschen wir allen Frauen einen friedlichen und gewaltfreien „Internationalen Tag für die Beendigung von Gewalt gegen Frauen.“

2 Kommentare zu Gewalt gegen Frauen ist ein allgegenwärtiges Problem

  1. wie ist der bar-Busige Femenauftritt im Strassburger Münster vor dem oben gesagten einzuordnen???

  2. Ich glaube, dass man das trennen muss. Die Femen-Frauen setzen eben ihre Mittel ein und machen sich somit selbst bewusst zum Objekt für die Kameras der Weltpresse – ein gutes Mittel, um Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu erfahren. Welche Presseagentur hätte ein Bild von einer angezogenen Demonstrantin im Straßburger Münster um die Welt geschickt? Das ändert aber eben nichts an der Tatsache, dass die Gewalt gegen Frauen auf allen Ebenen aller Gesellschaften tief verankert ist.

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