Gewalt selbst an und wegen Weihnachten

Eine muslimische Familie gönnt sich zu Weihnachten ein Festessen, das üble Folgen hat – aber wo ist eigentlich das Problem?

Gewalt wegen Austern? Foto: Delicacy Food "free-photos" / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(Von George Weber) – Für Muslime, die in Europa leben, sind die Weihnachtsfeiertage selbstverständlich auch freie Tage. Diese Tage können daher auch für Muslime zum Anlass genommen werden, sich im Familienkreis zu treffen, um zusammen festlich zu essen. Die Kollegen der DNA berichteten in Ihrer Ausgabe vom 27. Dezember 2020, dass ein jugendlicher Muslim in Belfort von anderen Muslims niedergeschlagen wurde, da er Fotos vom festlichen Familienessen am 25. Dezember 2020 auf Snapchat stellte.

Um es sofort klarzustellen. Die beschriebene muslimische Familie feierte bei dieser Gelegenheit nicht das christliche Weihnachtsfest, sie benutzte den freien Tag lediglich, um gemeinsam festlich zu essen. Und das ist ja auch völlig in Ordnung. Das Bild auf Snapchat, das Auslöser für einen hasserfüllten Kommentar eines anderen jugendlichen Muslims war, zeigte Austern und Krabben. Speisen, die auch auf jedem muslimischen Tisch erlaubt sind.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die generelle Frage, wie Muslime mit dem christlichen Weihnachtsfest und generell mit im Westen üblichen religiösen Feiertagen umgehen. Natürlich ist Weihnachten im streng religiösen Sinne kein muslimisches Fest.

Dennoch gibt es sowohl in Frankreich wie in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern muslimische Familien, die das Weihnachtsfest mitfeiern. Dann aber nicht aus religiösen, sondern vielmehr aus kulturellen Gründen als Zeichen gelungener Integration.

Durch das tägliche Leben in den christlich geprägten Ländern Europas finden manche Muslime Gefallen an den Traditionen, die mit Weihnachten verbunden sind. So zum Beispiel freuen sich Kinder – ob christlich oder muslimisch – über Geschenke.

Was für ein grundsätzlicher Hass muss daher bei manchen jugendlichen Muslimen gegenüber christlichen Traditionen und westlichen Werten allgemein bestehen, wenn ein einfaches Familienessen an Weihnachten zu solch einem Gewaltausbruch führt?

Die Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ging dieser Frage 2018 in einer Studie nach, in der rund junge 670 Muslime zu ihrer Haltung zu westlichen Werten befragt wurden. Danach sind 43 % der muslimischen Jugendlichen gegenüber westlichen Gesellschaften abwertend eingestellt. Knapp 21 % sind sogar der Meinung, dass sich die Schweiz der Scharia, also den islamischen Gesetzen unterwerfen sollte.

Bei solch erschreckenden Zahlen sehen Experten (wieder einmal) die Schule in der Pflicht. Dort sei der Ort, wo bereits bei Kindern muslimischen Glaubens Interesse für das westliche Weltbild geweckt werden müsse. In der Schule müssten den Kindern und Jugendlichen Werte wie zum Beispiel gelebte Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter nähergebracht werden.

Zurück nach Belfort. Dem zusammengeschlagenen muslimischen Jugendlichen sowie seinen Eltern wurde von seinen Glaubensfreunden schlimmste Drohungen ausgesprochen, falls Anzeige erstattet werden sollte. Der jugendliche Mann verdient große Anerkennung. Er hatte den Mut und ging zum Kommissariat.

Eine polizeiliche Untersuchung wurde eingeleitet. Es ist zu hoffen, dass die Täter überführt und einer gerechten Strafe zugeführt werden. Es würde muslimischen Jugendlichen, die sich positiv mit den westlichen Werten auseinandersetzen wollen, die sich in europäischen Ländern wie Frankreich, Deutschland oder der Schweiz integrieren wollen, deutlich den Rücken stärken.

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