Gibt es wirklich ein Recht auf „Vergessenwerden“?

Google beugt sich dem Europäischen Gerichtshof. Mit viel Aufwand und ziemlich wenig Wirkung. Denn das Internet vergisst Sie immer noch nicht.

Auf Google rollte gerade eine Welle von Einzelfallprüfungen zu. Foto: Enrique Dans / Wikimedia Commons / CC BY 2.0

(WB) – Vor wenigen Tagen veröffentlichte Google den Antrag, mit dem Menschen verlangen können, dass auf der Suchmaschine veröffentlichte Links, welche die Persönlichkeitsrechte verletzen könnten, gelöscht werden. Mit großem Aufwand muss nun geprüft werden, ob und wann beim jeweiligen Antragsteller tatsächlich eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte vorliegt und selbst, wenn diese Frage bejaht wird, werden im Idealfall lediglich die jeweiligen Links gelöscht, nicht aber die Inhalte, auf die sie führen. Die sind nämlich immer noch im Internet vorhanden. Nur eben nicht mehr auf Google verlinkt.

Für Fälle, in denen es strittig wird, hat Google das wohl hochkarätigste Beraterteam zusammengestellt, das sich je um Fragen des Datenschutzes gekümmert hat. Neben dem früheren Google-Chef Eric Schmidt umfasst diese Beratergruppe auch den Gründer des Online-Lexikons Wikipedia Jimmy Wales, den ehemaligen Chef des spanischen Datenschutzes José Luis Pinar, den UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung Frank La Rue und Fachleute von den Universitäten Oxford und Leuven. Die Praxis wird zeigen, ob und wie diese Gruppe überhaupt arbeiten kann.

Denn auch, wenn sich diese neue Möglichkeit nur auf Europa bezieht, dürfte Google schon bald von einer Flut solcher Anträge überrollt werden. In den ersten Tagen nach Veröffentlichung des Antragsformulars wurden alleine in Deutschland über 12.000 dieser Anträge eingereicht, viele weitere dürften folgen und natürlich auch aus ganz Europa. Doch wird jeder einzelne Antrag geprüft werden müssen, um, wie es ein Sprecher von Google sagte, zwischen den „Recht des Einzelnen auf Vergessenwerden“ und dem Recht auf Information der Öffentlichkeit zu unterscheiden. Wo das anfängt und wo es aufhört, soll in jedem Einzelfall entschieden werden.

Doch unter dem Strich sollte man nicht vergessen, dass es „nur“ um die Löschung von Links geht. Zwar kann man auch die Löschung von Web-Inhalten beantragen, doch ist dies etwas ganz anderes und setzt voraus, dass tatsächlich nicht nur unangenehme, sondern rechtlich angreifbare Inhalte betroffen sind.

Ganz einfach ist auch der Weg zur Löschung dieser Links nicht – denn sobald ein solcher Antrag gestellt ist, kann er von Google zunächst auch einfach abgelehnt werden. Dann führt der Weg über die Datenschutzbeauftragten der Länder, die dann aktiv werden können. Auch der Klageweg ist möglich.

Klar – da ist das Urteil des EuGh. An das muss Google sich halten. Gleichzeitig nutzt Google diesen Umstand in Europa aber auch für eine Art Charmeoffensive, nach dem Motto: „Wir nehmen euch Europäer und eure Bedenken zum Thema Datenschutz ernst.“ Mit dieser Ansage sammelt Google gerade Punkte. Doch sollte man nicht vergessen, dass sich diese möglichen Löschungen nur für die jeweiligen Links gelten. Die dahinter liegenden Inhalte bleiben dennoch erhalten und sind für jeden auffindbar, der weiß, wie und wo er danach suchen muss. Und für alle Nichteuropäer bleibt ohnehin alles beim Alten.

Wer gedacht hatte, Big Brother hätte ein Auge zugedrückt, der sieht sich getäuscht.

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