Go East in Straßburg
Am Ende gab es kein australisches Finale, sondern ein osteuropäisches bei dem WTA-Tennisturnier von Straßburg. Das hat Gründe. Im Doppelfinale war dann doch eine Spielerin aus Australien dabei, die allerdings ist in Russland aufgewachsen.
(Von Michael Magercord) – Amandine Hesse war vor dem Turnierstart noch zuversichtlich: Ja, müde sei sie, da sie gerade aus China eingeflogen war. Und ja, immer öfter halten sich die Spielerinnen in Asien auf, dort finden nun viele der Damen-Turniere statt, auch, weil dort höhere Preisgelder geboten werden als in Europa. Aber beim einzigen offiziellen WTA-Turnier in Frankreich anzutreten, das sei eben für die französische Fed-Cup-Spielerin immer eine große Motivation.
Ihr Auftritt in Straßburg allerdings war dann vielleicht doch demotivierend: In der ersten Runde war bereits Schluss für die Nummer 199 der Weltrangliste. Überhaupt war das keine Woche für die Französinnen, einzig Pauline Parmentier schaffte es noch eine Runde weiter bis ins Achtelfinale.
Der monegassische Trainer Thomas Drouet macht wenig Hoffnung auf Besserung: Wer ganz oben mitspielen will, darf nichts anders als Tennis im Kopf haben, das aber fällt in Frankreich und im Westen des Kontinents zunehmend schwerer. Auf die Schulbildung zu verzichten, wird dort nicht gern gesehen, doch ein paar Trainingseinheiten nach Schulschluss genügen nicht zur Weltspitze. In Osteuropa und Asien, konstatiert der Coach der ungarischen Spielerin Timea Bobos, sind die Mädchen und ihre Eltern eher bereit alles für den Sport zu geben, auch weil die Aussichten auf ein normales Berufsleben meist weniger erquicklich sind als im Westen.
Fast folgerichtig standen sich in beiden Finalen der diesjährigen 32. Ausgabe des WTA-Turniers „Les Internationaux de Strasbourg“ Spielerinnen aus Osteuropa gegenüber. Und in beiden Endspielen, Doppel und Einzel, kam es am Samstag zu hochklassigen und vor allem hart umkämpften Matches. Im Doppel siegten zwei Rumäninnen in zwei 7:5-Sätzen über die Ukrainerin Kischenok und die Australo-Russin Rodionova.
Kurios das Halbfinale: die rumänische Spielerin Mihaela Buzarnescu bestritt am selben Nachmittag sowohl die Vorschlussrunde zunächst im Einzel dann im Doppel. Zuvor unterlegen und bereits im Doppel 3:5 im ersten Satz zurückgelegen, motivierte sie ausgerechnet der Ärger über einen groben Fehler eines Linienrichters so sehr, dass ihre Müdigkeit verflog, das Spiel kippte und die neugewonnene Energie sie bis zum Finalsieg trug.
Auch im Einzelfinale kam es kurz vorm Ende zu einem Disput über eine Linienrichterentscheidung, die über den ganzen Turnierverlauf tatsächlich nicht immer zweifelsfrei waren, nun aber ausgerechnet bei einem Matchball für die Slowakin Dominika Cibulkova. Nur wenige Minuten später wurde das Finale dann entschieden, jetzt zugunsten der Russin Anastasia Pavlyuchenkova. Da allerdings hatten sich die beiden kraftvollen Spielerinnen schon über dreieinhalb Stunden gegenüber gestanden: Dreimal ging es in den Tie-Break, Sieg und Niederlage trennten schließlich die zwei gewonnene Spiele im entscheidenden dritten Satz.
Straßburg hat sein längstes Finale erlebt, spannend und hochklassig bis zum Ende: im Grunde gingen schließlich zwei Siegerinnen vom Platz, nur die Höhe des Preisgeldes machte den Unterschied. Die ist ja sowieso nicht so üppig wie wohl anderswo, und es bleibt nur zu vermuten, ob es daran lag, dass etliche der zuvor angekündigten Spielerinnen doch nicht kamen. Trotzdem: auch im nächsten Jahr wird in Straßburg wieder hochklassiges Tennis zu sehen sein. Denn einer der Gründe zu diesem kleinen, aber feinen Turnier ins Elsass zu kommen, ist die Geografie und der Termin: Beides sorgt für eine ideale Vorbereitung auf den Grand Slam von Roland-Garros im kaum zwei Stunden entfernten Paris, wo es auch für die vier Finalistinnen ab heute schon wieder um die eigentliche Wurst geht.
Eindrücke, Berichte und Fotos vom Turnier 2018 unter www.internationaux-strasbourg.fr/en.
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