Graues Treiben im Spieltrieb – Spielhölle Theaterbühne
Am Straßburger Nationaltheater TnS wird die Bühne zum 3D-Bildschirm. Ein Stück, das auch ohne Französisch-Sprachkenntnisse zu uns spricht. Ob es aber schließlich was zu sagen hat, muss ein jeder für sich herausfinden.
(Michael Magercord) – Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. Als dieser berühmte Satz des bedeutendsten Dramatikers seiner Zeit fiel, konnte Friedrich Schiller noch nicht ahnen, wie dramatisch sich das Wesen des Spiels noch verändern wird. Denn fast so bedeutend wie einst die Erfindung des Buchdrucks für die Veränderung der geistigen Welt gewesen ist, war das Aufkommen des Computerspiels in den 1970er Jahren.
Überhaupt war vermutlich der Spieltrieb des Menschen das Einfallstor, über das die Digitalisierung und die Algorithmen der Silicon-Valley-Boys ihre heute unumstößliche Macht über nahezu alle Bereiche unseres, sogenanntes „modernen“ Lebens entfalten konnte. „Gamification“ heißt das Zauberwort für alle, die nicht nur im Internet und darüber hinaus Geschäfte machen wollen.
Politisch wird der fortlaufenden Digitalisierung nichts entgegensetzt, sondern einzig ihre Beschleunigung gefordert. Die Spielerei ist mittlerweile zu der größten Unterhaltungsindustrie aufgestiegen, so dass man oft das Gefühl hat, der Ausbau der 5G-Netze solle einzig der Verbreitung von Spielen mit immer noch perfekteren Animationen und der Vernetzung von noch mehr Spielern dienen.
Und nun ist das Spiel auch auf der Theaterbühne angekommen. In dem Stück „Le Ring de Karthasy“ von Alice Laloy geht es noch zünftig in Grau zu, wie in den Urzeiten des Digitalen. In der schwarzweißen Kulisse treten zwei Spieler gegeneinander an. Mit ihren Stimmbefehlen leiten sie ihre Spielfiguren an, jeweils drei Avatare, die ganz unterschiedliche Herausforderungen zu bestehen haben: eine Klamottenanprobeschlacht beim Black Friday, das Wettfuttern von Rohkost oder gar beim Wiegen von Säuglingen.
Dabei geht es zwar noch etwas unrund zu, wie zu Zeiten, als die ersten Avatare über die Spielkonsolen holperten, doch gleichzeitig geht es ziemlich rund auf dem Spielfeld zu, das nun die Bühne ist. Das kann sich zwar trotzdem für den Zuschauer, der ja selbst nicht mitspielt, manches Mal etwas langwierig werden, aber dadurch, dass die echten Schauspielerinnen und Schauspieler, die vor allem Akrobaten sind, ihre urigen Avatarenrollen geradezu in Perfektion darbieten – wobei natürlich ja eigentlich jede Schauspielerei Avatarentum ist, nur dass es dieses Mal darum geht, tatsächlich einer zu sein, das Stück dann eben doch spannend ist.
Ob allerdings der Zuschauer jetzt so richtig Lust bekommt, auch mal selber zu spielen? Doch bevor sich dieser Wunsch tatsächlich regen könnte, stürzt das ganze System ab und die Avatare proben den Aufstand. Schließlich kommt in Form einer rosa Wolke die Farbe zurück ins Bild, und mit ihr das richtige Leben, das sich in den modernen Zeiten ohnedies in einem Theatersaal abspielt.
Le Ring de Kartharsy
Theaterstück für Sänger, Tänzer und Akrobaten
Idee und Regie: Alice Laloy und das Ensemble „La Compagnie s’Appelle Reviens“
Théâtre national de Strasbourg TnS
MO 25. November, 20 Uhr
DI 26. November, 20 Uhr
MI 27. November, 20 Uhr
DO 28. November, 20 Uhr
FR 29. November, 20 Uhr
Tickets und Information gibt’s HIER!
Folgende Stücke im TnS:
Pour un temps sois peu – 26. bis 30.11
Je vis dans une maison qui n’existe pas – 3. bis 7.12.
La Symphonie tombeé du ciel – 13. bis 20.12
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