Grenze auf? Fake News!

Seit Montag wird in den sozialen Netzwerken gejubelt – die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland ist angeblich wieder auf! Nur – das ist sie leider nicht.

Auch, wenn die Sperrungen abgebaut werden, bleibt der Grenzübertritt für fast alle verboten - von "Grenzöffnung" kann keine Rede sein. Foto: Stadt Kehl / A. Lipowsky

(KL) – So entstehen „Fake News“ und hinterher will’s keiner gewesen sein. Seit Montag wird in den sozialen Netzwerken gejubelt – die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland ist wieder offen! Hurra! Das Ende eines oberrheinischen und saarländisch-lothringischen Albtraums! Nach zwei Monaten der Trennung sind wir endlich wieder vereint. Klingt schön, ist aber falsch. Denn die Grenze wird zwar tatsächlich nicht mehr systematisch kontrolliert, der Übertritt ins jeweils andere Land ist aber nach wie vor nur Berufspendlern und Menschen mit „triftigem“ Grund erlaubt. Diese „Grenzöffnung“ verläuft in etwa nach dem Motto „Schauen ja, anfassen nein“.

Gewiss, die Sperrungen der vielen Grenzübergänge sind aufgehoben worden, die systematischen Kontrollen wurden durch stichprobenartige Kontrollen ersetzt. Die Liste der „triftigen Gründe“ wurde erweitert, doch liegt das Vorliegen eines solchen „triftigen Grunds“ nach wie vor im Ermessen der kontrollierenden Beamten. Echte Erleichterungen gibt es in der Tat für Berufspendler durch das Wegfallen der systematischen Kontrollen – doch können sich Berufspendler, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an der Arbeitsstelle sein müssen, darauf verlassen, dass an „ihrem“ Grenzübergang am Morgen nicht kontrolliert wird und es damit keine Staus gibt? Natürlich nicht – und das bedeutet in der Praxis, dass man weiterhin früher aufstehen muss, da es ja einen Stau an der Grenze geben könnte.

Fakt ist aber, dass für alle, die weder Berufspendler sind, noch einen triftigen Grund für einen Besuch im Nachbarland haben, der Grenzübertritt weiterhin verboten bleibt. Im Grunde ist diese Art der „Grenzöffnung“ eine Einladung an alle, es einfach mal auszuprobieren. Gerade zwischen Straßburg und Kehl ist die Versuchung groß, mal eben schnell über die Grenze zu laufen, wenn gerade nicht kontrolliert wird, direkt hinter der Grenze günstig Tabakwaren einzukaufen (die in Deutschland bis zu 70 % günstiger sind als in Frankreich!) und zu hoffen, dass auf dem Rückweg die französischen Grenzbeamten nicht kontrollieren. Dabei muss man sich im Klaren sein, dass wenn man doch in eine Kontrolle gerät, saftige Strafen fällig werden.

So schön und symbolstark es ist, dass die Sperranlagen nun abgebaut worden sind, so falsch ist die Annahme, dass damit die Grenze nun offen sei. Sie ist es nicht. So lange der Grenzübertritt für normal Sterbliche verboten und strafbewehrt ist, kann man nicht von einer „Grenzöffnung“ sprechen. Auf die werden wir wohl weiter bis mindestens zum 15. Juni warten müssen und die für diesen Zeitpunkt geplante „echte“ Grenzöffnung setzt voraus, dass es bis dahin keine „zweite Welle“ des Coronavirus, keine Zwischenfälle und eine klare Abstimmung zwischen den Staaten und in Deutschland zwischen den Bundesländern gibt. Zwischen uns und der Grenzöffnung stehen noch zahlreiche Konjunktive und bei aller Freude über den Abbau der fürchterlichen Sperranlagen bleibt dennoch die Feststellung – der Grenzübertritt ist und bleibt für alle verboten, die nicht auf der jeweils anderen Rheinseite arbeiten oder einen hieb- und stichfesten „triftigen Grund“ für den Grenzübertritt angeben können.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste