Griechenland: Neuwahlen am 20. September

Alexis Tsipras macht mit seinem Vorschlag, das Europäische Parlament in die Schuldenverhandlungen einzubeziehen, die europäische Politik nervös.

Alexis Tsipras möchte das Europäische Parlament in die Gespräche und Kontrollen einbeziehen. Weil das demokratisch wäre. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Jetzt sind sie aber alle empört. Kaum hat man dafür gesorgt, dass Griechenland wieder Schulden und fette Zinsen bezahlen kann (und, wenn das Land Glück hat, sogar ein paar Cent für den Wiederaufschwung bereit stehen könnten, aber nur, wenn Griechenland Glück hat…), da kommt dieser Alexis Tsipras schon wieder um die Ecke, bringt am Morgen noch eine demokratische Idee ins Spiel – nämlich die die Europäische Kommission und die Troika, die über Wohl und Wehe des Landes zu entscheiden haben, um einen weiteren Partner zu ergänzen, indem das Europäische Parlament mit ins Boot geholt wird. Und dann am Abend verkündet er Neuwahlen am 20. September und seinen Rücktritt.

Europäische Kommission, Europäische Zentralbank (EZB), Euro-Rettungsschirm ESM und der Internationale Währungsfonds (IWF) finden die erste Idee erstmal gar nicht so gut. Diese Organisationen sehen nämlich keine Veranlassung, ausgerechnet die einzig demokratisch gewählte europäische Institution mit ins Boot zu holen. Die zweite Idee, nämlich Tsipras Rücktritt und Neuwahlen, finden sie dagegen schon besser.

Dabei lief doch zunächst alles so reibungslos. Unter dem Druck Europas hatte das griechische Parlament akzeptiert, dass weiter jeder dritte griechische Bürger im Elend verharrt, die ersten Milliarden wurden überwiesen, um direkt wieder zurück überwiesen zu werden und jetzt kommt der griechische Premier schon wieder mit einem solchen Demokratie-Gequatsche und solchen Überraschungen an! Dabei hatten wir ihm doch erst im Juli seine Volksabstimmung zu den „Sparmaßnahmen“ um die Ohren geschlagen, indem wir diese Maßnahmen direkt noch einmal deutlich verschärft hatten, nachdem das griechische Volk sie abgelehnt hatte. Wo kämen wir denn da hin, wenn am Ende die Völker über die Politik entscheiden würden! Und jetzt wählen die schon wieder!

Alexis Tsipras hat dem Präsidenten des Europäischen Parlaments einen Brief geschrieben: „Ich beantrage die direkte und vollständige Einbindung des Europäischen Parlaments – als fünften Akteur im Kontext des sogenannten Gläubigerquartetts – in den regelmäßigen Überprüfungsprozess zur Umsetzung des Kreditabkommens“ – und damit rennt er bei Martin Schulz natürlich offene Türen ein. Denn auch Schulz vertritt die Ansicht, dass die einzige von den Bürgern Europas gewählte Institution mehr Gewicht haben sollte. Weiter schreibt Tsipras, er fände, dass „die einzige europäische Institution mit direktem Mandat der Bevölkerung als letzter Garant der wirtschaftlichen Verantwortlichkeit und der wirtschaftspolitischen Verträglichkeit in Europa“ fungieren solle. Was von den anderen EU-Oberen als Affront aufgefasst wird.

Und wieder einmal erinnert Alexis Tsipras den Rest Europas daran, was eigentlich Demokratie sein sollte. Allerdings schon lange nicht mehr ist. Eine solche Einbindung des Parlaments, der einzigen europäischen Institution, die nicht nur den Finanzmärkten verpflichtet ist, wäre interessant. Was auch genau der Grund ist, warum man in den übrigen Institutionen so gar nicht von dem Vorschlag begeistert ist. Am Ende könnten ja die Europäerinnen und Europäer noch ein Wörtchen mitreden, wenn es um die Gestaltung der europäischen Politik geht. Und das geht ja nun gar nicht. Europäische Politik wird von Lobbys und nicht von Bürgern bestimmt, und das soll auch so bleiben.

Und man sollte sich ruhig darauf einstellen, auch nach dem 20. September weiter mit Alexis Tsipras zu tun zu haben. Denn die Griechen stehen immer noch hinter Alexis Tsipras, weil sie verstanden haben, dass er die „Reformen“ nur wegen einer Art politischer Pistole an seiner Schläfe akzeptiert hat. Doch auch, wenn Schäuble und Kollegen den nachhaltigen Ruin Griechenlands betreiben können – das Wahlverhalten der Griechen können sie nicht bestimmen. Tsipras hat gute Chancen, ein neues Mandat für die Regierung Griechenlands zu bekommen. Und das ist gut so. Denn Tsipras zwingt den Rest Europas, sich immer wieder mit der Frage auseinander zu setzen, was für eine Politik wir wollen und was Demokratie eigentlich ist. Solche Politiker braucht Europa.

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