Griechenland – es ist Zeit zum „verbalen“ Abrüsten

Auch am Wochenende flogen die Spitzen zwischen Athen und Berlin hin und her – und Deutschland spielt dabei die schlechteste Rolle. Es gilt, den „Graccident“ zu vermeiden.

Das griechische Parlament erlebt gerade schwere, schwere Zeiten. Foto: Gerard McGovern / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Yannis Varoufakis ist für die Konservativen in Europa so etwas wie der Leibhaftige – für viele andere ist er aber ein Hoffnungsträger, zwingt er doch zusammen mit Alexis Tsipras den Rest Europas dazu, sich Gedanken darüber zu machen, was Europa eigentlich ist und sein soll. Sein Vorschlag, Angela Merkel solle sich mit einem „Merkel-Plan“ für Wachstum in ganz Europa selbst ein Denkmal setzen, ist absolut nachvollziehbar.

Schon zweimal musste die Weltgemeinschaft ein zerstörtes Deutschland wieder aufbauen, einmal nach dem ersten Weltkrieg, als es auch Stimmen gab, man möge Deutschland doch zu einer Art großen Kartoffelacker umbauen, damit von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen kann, und einmal nach dem II. Weltkrieg, als der „Marshall-Plan“ nicht nur das Überleben Deutschland nach der Nazizeit ermöglichte, sondern auch den Wiederaufschwung der deutschen Wirtschaft, was dann auch flugs als „deutsches Wirtschaftswunder“ gefeiert wurde. Wieso also, fragte Varoufakis in einem TV-Interview, sollte jetzt nicht Deutschland einen solchen Entwicklungsplan initiieren, um den Ländern Südeuropas aus der Krise zu helfen?

Stattdessen schwadronieren die Schäuble & Co. inzwischen über den „Graccident“, das „unbeabsichtigte Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro“, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, denn eine Entscheidung über einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro kann nicht unfallartig passieren, sondern nach der Rechtslage ausschließlich von Griechenland selbst getroffen werden. Es ist auch kein Mechanismus über den Ausschluss eines Eurolandes aus der Euro-Zone vorgesehen, weswegen die Spekulationen über einen „Graccident“, den Finanzminister Schäuble als „denkbar“ bezeichnete, eigentlich ziemlicher Quatsch sind.

Auch der Streit um die Rückzahlung des Zwangskredits, den im II. Weltkrieg die griechische Zentralbank den Nazis zur Verfügung stellen musste (476 Millionen Reichsmark), gab Anlass zu hässlicher Polemik in beide Richtungen. Während Griechenland darauf besteht, dass dieser, von den Nazis und deren Rechtsnachfolgern nie zurückgezahlte Kredit, nun fällig ist, beharrt Deutschland darauf, dass man bereits Reparationszahlungen geleistet habe. Dass beide Dinge nichts miteinander zu tun haben, will man in Deutschland nicht einsehen, stattdessen wird Stimmung gegen Griechenland und das griechische Volk gemacht. In so einer angespannten Situation ist es nicht gerade sehr klug, wenn man Aussagen trifft wie „Man kann über Reparationszahlungen reden, aber kein Geld für Tsripas!“. Die deutsche Regierung wäre gut beraten, würde sie die neue griechische Regierung als das akzeptieren, was sie ist – die demokratisch gewählte Regierung eines EU-Partnerstaats. Dass die Griechen die deutsche Einmischung vor, während und nun nach den Wahlen inzwischen für unerträglich halten, das muss man auch verstehen.

Beide Seiten müssen jetzt aufeinander zugehen – die EU muss endlich damit aufhören zu fordern, dass die neue griechische Regierung ihr Volk den europäischen Großbanken opfert, Griechenland muss aufhören, ständig neue Drohkulissen wie die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge aus Afrika anzudrohen – und Angela Merkel sollte sich wirklich überlegen, ob man nicht eine Art „Merkel-Plan“ zur Rettung der europäischen Idee auflegt. Denn ohne einen solchen Plan müsste man sich mit der Feststellung begnügen, dass sich alle verrannt haben und den Weg zurück zur Vernunft nicht mehr finden.

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