Griff ins europäische Portemonnaie

Selbst Jean-Claude Juncker fand das anrüchig – dennoch werden zwei europäische Kommissar-Posten neu besetzt. Aber nur bis zum 1. November, bei vollen Pensionsansprüchen lebenslang.

Für einige scheint die EU nicht viel mehr als ein Selbstbedienungsladen zu sein... Foto: Animalparty / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Am 26. Mai, bei der Europawahl, standen auch zwei damalige EU-Kommissare auf den Kandidatenlisten in ihren Ländern: Andrus Ansip aus Estland und Corina Cretu aus Rumänien. Gemäß der Regeln der EU mussten diese beiden als KandidatInnen für das Europäische Parlament ihre Kommissarposten räumen. Unglaublich, aber wahr, diese beiden Posten sollen jetzt neu besetzt werden, für ein paar Wochen bis zum 1. November, dem Tag, an dem die neue EU-Kommission ihre Arbeit aufnehmen soll. Für diese Kurzzeit-Besetzung beginnt diese Woche das so genannte „vereinfachte Verfahren“, bei dem der Rumäne Ioan Mircea Pascu und die Estin Kadri Simon zu neuen EU-Kommissaren der alten Kommission ernannt werden sollen. Aufgrund der geringen Amtszeit, die den neuen Kommissaren verbleibt, erhalten sie nicht einmal mehr ein Fachressort. Dafür aber eine lebenslange Rente, was die EU rund eine Million Euro kosten würde. Für nichts und wieder nichts.

Das Gehalt eines EU-Kommissars ist eher üppig – rund 20.000 Euro im Monat (plus Zulagen) und die lebenslangen Pensionsansprüche betragen zwischen 45 und 60 % des letzten Gehalts. Das bedeutet, dass die beiden neuen Kommissare für den Rest ihres Lebens (sobald sie denn in Pension gehen, was beim 70jährigen Rumänen Pascu recht bald der Fall sein dürfte), jeden Monat rund 10.000 € überwiesen bekommen. In einem Land wie Rumänien, in dem das Jahresgehalt eines Lehrers rund 5000 € beträgt, ist das ein mächtiger Schluck aus der Pulle. Etwas anders ist der Fall der Estin Kadri Simon gelagert, denn die soll tatsächlich in der neuen Kommission Kommissarin werden, was dann ihren Rentenanspruch wenigstens rechtfertigt.

Klar, der neue Kommissar ohne Geschäftsbereich Pascu hat auch Anspruch auf alle Sonderzahlungen, die einem Kommissar eben zustehen. Neben seinem ohnehin schon üppigen Gehalt sind das Dinge wie Umzugsbeihilfen, eine „Residenzzulage“ und sicher auch alle weiteren Zulagen für Büro etc. Diese Farce wurde deshalb möglich, weil im gelähmten Europa der Einstimmigkeit einige Länder dagegen waren, diesen europäischen Schildbürgerstreich einfach zu verbieten.

Jetzt gibt es eigentlich nur noch einen Weg, diesen administrativen Blödsinn zu verhindern – das Europäische Parlament muss die beiden Kandidaten für die beiden nicht existierenden Kommissarsposten durchfallen lassen und zwar so oft und so lange, bis die neue Kommission ernannt wird und ihre Arbeit aufnimmt. Sollten die beiden neuen Kommissare allerdings vom Europäischen Parlament bestätigt werden und ihr nicht existentes Amt antreten dürfen, wird es in der neuen Legislaturperiode immer schwieriger werden, die Europäerinnen und Europäer davon zu überzeugen, dass die EU etwas anderes als ein „Speakeasy“ ist, in dem Halbseidene das große Geschäft machen.

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