Großbritannien: Der Brexit ist noch lange nicht vorbei

Die Einheit des Vereinten Königreichs bröckelt immer weiter. Ewig wird London das Streben nach mehr Europa in den Landesteilen nicht mit Gewalt unterdrücken können. Wie gut, dass die Queen das nicht mehr erleben muss.

In der Box ist es zwar auch nicht ideal, aber immer noch besser als herausgefallen zu sein. Foto: user 470906 at Pixabay / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Noch halten die britischen Gerichte die Einheit Großbritanniens notdürftig zusammen, indem sie das geforderte, erneute Referendum über die schottische Unabhängigkeit verbieten. Noch. Doch lange wird London diese Schiene nicht mehr fahren können, denn die Unzufriedenheit mit der Lage nach dem Brexit hat längst auch die anderen britischen Länder wie Wales und Nordirland auf den Plan gerufen, die sich in Großbritannien nur noch als Regionen II. Klasse empfinden, da London offenbar nur noch für London arbeitet.

Großbritannien befindet sich in der schwersten Krise seit dem II. Weltkrieg. Wirtschaftlich geht es Großbritannien nicht gut, den Menschen geht es immer schlechter und vor allem, die Briten merken langsam, dass ihre Politiker, die diesen Brexit zu verantworten haben, gar keinen Plan für die Zeit nach dem Brexit hatten. Und genau das merken die Briten, wenn sie jetzt vor leeren Regalen stehen oder vor gefüllten Regalen, aus denen sie die Produkte nicht mehr bezahlen können.

Noch hält das brüchige Vereinte Königreich dank des Urteils des Obersten Gerichtshofs in London. Dieses hat ein weiteres Referendum über die schottische Unabhängigkeit verboten. Mit dem Hinweis, dass es das ja schon mehrfach gab. Nur – damals gab es noch keinen Brexit und die Schotten sind mehrheitlich für die Loslösung von Großbritannien und den Verbleib, bzw. die Aufnahme in die EU. Ewig kommen die jeweiligen Mieter der Downing Street 10 damit allerdings nicht durch. In Schottland dürfte das Verbot eines weiteren Referendums den Verfechtern des Austritts aus dem Vereinten Königreich nur weiteren Rückenwind bescheren.

Die irische Frage ist nach drei Jahrzehnten eines ebenso wackeligen Friedens wieder aufgebrochen und in Wales hat man das nicht ganz falsche Gefühl, London würde nur noch Politik für England und London, nicht aber für die anderen britischen Länder machen.

Dazu steuert die britische Insel auch noch in eine Verfassungskrise – die Debatte um die Abschaffung des Oberhauses wirbelt die britischen Institutionen ebenfalls durcheinander, und das alles ist ein wenig heftig für König Charles III., der an diesem Chaos nicht die geringste Schuld trägt, dem aber die schwierige Aufgabe zufällt, das endgültige Auseinanderfallen des Vereinten Königreichs zu verhindern. Wie er das anstellen will, ohne dass er irgendeine politische Handhabe hat, ist fraglich.

Die EU ist momentan, das muss man zugeben, in einem erbarmungswürdigen Zustand. Doch die Europäische Union nach dem Vorbild des Brexit zersplittern zu lassen, ist die deutlich schlechteste „Lösung“. Die EU zu reformieren ist der einzige Weg, dass unser Kontinent in einer globalisierten und vom Krieg gezeichneten Welt seinen Platz findet. Das neue europäische Projekt muss so gestaltet sein, dass es auch die Briten überzeugt. Und die Schotten. Und alle anderen auch.

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