Grün, blau oder rot?

Noch sind die großen Wasserstoff-Projekte in der Planung, da kriselt es schon wieder zwischen Deutschland und Frankreich. Grund ist die Art der Herstellung von Wasserstoff.

Energie durch Gasentladung zwischen 2 mit Wassersoff gefüllten Röhren. Foto: Alchemist-hp (www.pse-mendelejew.de) / Wikimedia Commons / Free Art Licence

(KL) – Wenn es um Atomstrom geht, liegen Welten zwischen Frankreich und Deutschland. Während Deutschland unter Kanzlerin Merkel nach der Katastrophe von Fukushima den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und weitestgehend umgesetzt hat, ist Atomenergie in Frankreich nach wie vor Staats-Credo, von dem man in Paris auch nicht abrücken wird. Nun muss auf europäischer Ebene die Frage geklärt werden, ob mit Atomstrom erzeugter, so genannter „roter“ Wasserstoff auf die EU-Liste der Erneuerbaren Energien aufgenommen werden darf oder nicht. Aus Frankreich kommt ein klares „Ja“, aus Deutschland ein „auf keinen Fall, aber vielleicht“. Die unklare deutsche Haltung rührt daher, dass Koalitionspartner FDP die französische Position vertritt, die wiederum für den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck „inakzeptabel“ ist.

Nun geht es also um „roten“, „grünen“ und „blauen“ Wasserstoff. Der „rote“ wird mit Atomstrom produziert, der „grüne“ mit Erneuerbaren Energien und der „blaue“ mit Gas. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Grünen die ohnehin wackelige Berliner Ampel-Koalition an dieser Frage platzen lassen, zumal die aktuellen Umfragen die CDU bei 31 % und die Ampel-Koalition ohne Mehrheit sehen. Christian Lindner und die FDP werden in dieser Frage nicht locker lassen, denn die Liberalen rutschen gerade bei den letzten Landtagswahlen, aber auch in den Umfragen, schon wieder bedrohlich nahe an die 5-Prozent-Hürde und teilweise schon darunter. Die FDP muss sich schleunigst ein eigenes Profil erarbeiten und da eignet sich diese Frage sehr gut. Die Industrie- und Unternehmer-Partei FDP setzt sich gegen SPD und Grüne in der Frage des „roten Wasserstoffs“ durch – das ist genau die Kommunikation, die sich die FDP gerade wünscht. Und das könnte dann bedeuten, dass sich Deutschland bei der EU-Abstimmung zu dieser Frage enthalten müsste, um den Koalitionsfrieden zu wahren.

Dass die Haltung der FDP ihr lediglich Applaus in Paris einbringen wird, dafür aber eine ohnehin schon angeschlagene Regierung weiter schwächen kann, nimmt Christian Lindner in Kauf. Denn angesichts der Entwicklung der Stimmung im Land hätte momentan nur die CDU ein Interesse an Neuwahlen. SPD, Grüne und FDP müssen sich zusammenraufen, wollen sie eine Regierungskrise vermeiden. Also wird das künftig Atomstrom-freie Deutschland wohl dafür stimmen, dass mit Atomstrom produzierter Wasserstoff genauso förderungswürdig ist wie Windräder oder Solar-Paneele.

Die Frage ist deshalb so wichtig, da der Eintrag auf der Liste der Erneuerbaren Energien im Rahmen der neuen EU-Richtlinie REDII bares Geld wert ist. Projekte in diesem Bereich können stark subventioniert werden, und bieten Anreize für Investoren. Für diejenigen Länder, die weiter auf Atomstrom setzen, könnte der „rote Wasserstoff“ ein echter Renner werden, während man in Deutschland mit den Zähnen knirscht.

Doch werden sich Frankreich und Deutschland verständigen müssen, denn wenn diese beiden Länder in der Zukunftstechnologie Wasserstoff mit seinen vielen Anwendungsmöglichkeiten nicht zusammenarbeiten, dann wird man den Amerikanern und den Chinesen nur hinterherschauen können.

Kernstück einer europäischen Wasserstoff-Strategie müsste die Verlängerung der bestehenden spanisch-französischen Wasserstoff-Pipeline bis nach Deutschland sein. Doch damit dieses erste Großprojet erfolgreich sein kann, müssen alle beteiligten Länder einen Grundkonsens darüber haben, was wie und von wem in die Pipeline eingespeist wird. Will man weitere Abhängigkeiten von außerhalb von Europa befindlichen Ländern abbauen, wird man Kompromisse finden müssen. Denn wenn es auch beim Wasserstoff nicht gelingen sollte, eine gesamteuropäische Strategie und Infrastruktur aufzubauen, dann sind die Träume vom „Europa der Energie“ definitiv ausgeträumt.

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