Grün ist die Farbe der Hoffnung
In vielen französischen Städten haben gestern Abend die Grünen (EELV) das Ruder übernommen. Auch in Straßburg, was einer kleinen Sensation gleichkommt.
(KL) – Eigentlich hatten alle damit gerechnet, dass es am Ende ganz, ganz knapp ausgehen würde. Doch das war ein Irrtum – die grüne Jeanne Barseghian gewann die Stichwahl um den OB-Sessel der Europahauptstadt mit satten 8 % Vorsprung vor der rechten Liste Fontanel-Vetter und der Sozialistin Catherine Trautmann. Und da gleichzeitig so etwas wie eine „grüne Welle“ über ganz Frankreich schwappte, sieht es massiv danach aus, als wäre die „Macronie“ bereits am Ende, bevor sie richtig angefangen hat. Die letzten zwei Jahre der Pariser Politik haben eine Quittung bekommen, von der sich die „Macronie“ nur schwer erholen wird.
Das Ergebnis ist eindeutig. Jeanne Barseghian holt mit ihrer Liste 41,86 % der Stimmen, die seltsame Koalition LREM-LR mit Alain Fontanel und Jean-Philippe Vetter bleibt bei 34,75 % stehen und die als Geheimfavoritin gehandelte Catherine Trautmann kam nicht über 23,38 % heraus. Doch die große Hypothek, mit der auch Jeanne Barseghian wird umgehen müssen, war die erneut extrem geringe Wahlbeteiligung von nur 36,41 %. Wenn sich zwei Drittel der Bevölkerung in keiner oder keinem der Kandidat*innen wiederfinden, dann stellt sich die Frage nach der Legitimität einer solchen Wahl. Jeanne Barseghian wird also eine doppelte Aufgabe zu meistern haben – Straßburg durch die aktuellen Krisen zu führen und den Menschen das abhanden gekommene Vertrauen in die Politik zurück zu geben.
Die in Deutschland noch recht unbekannte Jeanne Barseghian ist ein echtes Kind der Erasmus-Generation. Bereits in ihrer Ausbildung arbeitete sie für grenzüberschreitende Strukturen, sie spricht hervorragend Deutsch und Englisch und gehört ganz sicher zu denjenigen Politikerinnen, die in der Lage sein werden, die Reihe neuer Instrumente der deutsch-französischen Zusammenarbeit sinnvoll einzusetzen. Die überzeugte Europäerin Barseghian hat immer den Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg verteidigt und das wird sie auch weiterhin tun. Und dazu wird sie eine ökologische Wende in der Europahauptstadt starten, die der damaligen Entwicklung in Freiburg sehr ähneln wird – aus Straßburg wird eine „grüne Stadt“ werden. Dass sich Ökologie und Wirtschaft hervorragend ergänzen können, das wissen wir in Deutschland und daran werden sich auch diejenigen gewöhnen, die im Wahlkampf die Grünen als „Öko-Terroristen“ verunglimpft haben.
Dass die beiden rechten Kandidaten trotz der Unterstützung der „alten Politikwelt“ gescheitert sind, ist ein Hinweis darauf, dass die „Macronie“ bereits nach zwei Jahren vor dem Aus steht. Lügen, Skandale, ein amateurhaftes Management zahlreicher sozialer Krisen, gepaart mit einem Sonnenkönig gleichen Machtgehabe – mit diesem politischen Kasperletheater können die Franzosen und Französinnen nicht mehr viel anfangen. Angefangen hat dagegen die Götterdämmerung der Macron-Partei „La République en Marche“ und die zahlreichen Unterstützer, von denen viele davon geträumt haben dürften, ein Stückchen vom Machtkuchen abzubekommen, dürften sich heute auf die Finger beißen – sie haben schlicht und ergreifend auf das falsche Pferd gesetzt. Und sind nun aus der Politik herausgepurzelt. Angesicht von Lügen und Verrat wird ihnen niemand eine Träne hinterher weinen.
Jeanne Barseghian wird eine große Bürgermeisterin werden, die im Interesse der Straßburger neue Wege gehen wird, Umwelt- und Klimaschutz und soziale Themen groß schreiben wird. Das sensationelle Wahlergebnis in Straßburg und anderen französischen Städten macht Mut, dass es doch noch gelingen könnte, eine sozialverträgliche Klima- und Wirtschaftspolitik zu führen. Wie gesagt – Grün ist die Farbe der Hoffnung. Jetzt auch in Frankreich!
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