Grund zum Feiern – F.X. Richters Straßburger Te Deum
Schon des Öfteren wurde an dieser Stelle auf die bedeutenden Werke des Straßburger Münster-Kapellmeisters F.X. Richter hingewiesen. Allerdings sind immer noch keine Aufführungen seiner Kompositionen, von denen etliche im Münster Ende des 18. Jahrhunderts uraufgeführt wurden, geplant – immerhin gibt es einige der Meisterwerke erstmals auf CD.

(Von Michael Magercord) – 1781 gab es was zu feiern: einhundert Jahre französische Oberhoheit über das Elsass. Das bedeutete auch: einhundert Jahre Rückkehr der katholischen Bischöfe ins Straßburger Münster – der Anlass für ein „Te Deum“ aus der Feder des bedeutendsten Komponisten, der jemals im Elsass tätig war.
Ein Te Deum, ein musikalisches Gotteslob und ein Dank an höchste Stelle, war es, was es darzubieten gab, verdankten doch die Bischöfe ihre Anwesenheit im Münster König Ludwig dem XIV. Bevor Straßburg 1681 an Frankreich fiel, war das Gebäude mit dem seinerzeit höchsten Turm der Christenheit eineinhalb Jahrhunderte evangelisch gewesen, und noch immer wehte in der alten freien Reichsstadt ein starker protestantischer Geist.
Der zeigte sich einmal an der unterschiedlichen Geschichtsinterpretation, die damals die Festredner spaltete: ist Straßburg immer eine französische Stadt gewesen, die ihren Ursprung im gallo-romanischen hatte und nur von einem germanischen Stamm bewohnt wird? Oder doch ein durch und durch mit den Entwicklungen in Mitteleuropa verbundener Ort, was sich auch an der Rolle abliest, die Straßburg in der lutherischen Reformation gespielt hatte? Oder gehört sie zu römischen Reich deutscher Nation und dem französischen Königreich gleichermaßen, wie sich in der Vermählung der Habsburgerin Marie-Antoinette mit Ludwig dem XVI. ausdrückte?
Die Feierlichkeiten zum hundertsten Jahr der französischen Oberhoheit standen dementsprechend natürlich auch unter der Konkurrenz der Konfessionen. Ein Mittel der Propaganda ist Musik, und seit die Evangelischen dank eines Johann-Sebastian Bachs deren Wirkung im Gottesdienst bewiesen haben, taten es ihnen die Katholiken gleich. Kapellmeister des Münsters war damals Frantisek-Xaver alias Franz-Xaver alias François-Xavier Richter. Von 1769 an wirkte der versierte Musiker aus der berühmten Mannheimer Schule bis zu seinem Tod 1789 an vorderster Linie der musikalischen Front. Sein großes Chorwerk „Te Deum“ wurde dem feierlichen, hundertjährige Anlass entsprechend an seiner Wirkungsstätte uraufgeführt.
Richter kann mit Fug und Recht als der letzte Vertreter der Barockmusik und als ein Erster der Klassik bezeichnet werden. In seinem Werken offenbart sich beides durch Abwechslung, Kontraste, Überraschungen und einen ganz besonderen Orchesterklang. Das “Te Deum” zeigt auch seinen gewandten Umgang mit Chor und Singstimmen. Allerdings wurde er und seine Werke erst in jüngster Zeit wieder entdeckt. Das lange Schweigen mag auch an Mozart gelegen haben. Als der nämlich Straßburg besuchte und den alternden Kapellmeister besuchte, beschrieb er ihn als ausgiebigen Trinker, der mal locker zwei Flaschen Wein an einem Abend leerte – aber wenn’s denn guter Wein ist und keiner in alten Schläuchen?
Das jedenfalls ließe sich – im übertragenen, also nüchternem Sinne natürlich – auch für die erneute Einspielung von seinen Werken aus unterschiedlichen Musikformen sagen: zusammen mit dem Chorwerk sind eine Symphonie, ein Oboenkonzert und eine kurze Motette, letztere beiden gar als absolute Ersteinspielungen, auf der neuen CD zu hören, und zwar in einer vielleicht nicht immer perfekten, aber von mitreißender Fröhlichkeit geprägten Interpretation.
Dargeboten übrigens von dem Tschechischen Barockensemble unter Roman Valek, also einem Klangkörper aus dem Geburtsland des Komponisten. Schon als junger Mann verließ er das heimatliche Mähren, und es wird vielleicht doch langsam Zeit, dass er auch dort Aufmerksamkeit erfährt, wo er tatsächlich gewirkt hat: in Straßburg. Und dort natürlich am besten gleich im Münster!
Hinweise zur CD:
Franz Xaver Richter
Te Deum 1781
Sinphonie Nr. 52
Oboenkonzert in F Dur
Motette Exsultate Deo
Tschechische Barockensemble, Chor und Solisten unter der Leitung von Roman Valek
Gesamtspieldauer 49:50
Supraphon 2018
SU 4240-2
Informationen unter www.supraphon.com
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