Gut und Gerne – Merci, Françoise!

In meiner letzten Kolumne hatte ich Ihnen in Aussicht gestellt, wie ich meine mit mir konfinierte Familie kulinarisch verwöhne. Wer nun die Anleitung zu einem traditionellen Ostermenü erwartet hat, mag enttäuscht sein: Heute geht es um Linsen.

Wenn Kochen Anlass zu Reisen im Kopf ist - kommen Sie doch einfach mit ins Linsenland! Foto: Mats Meeussen / CC-BY-SA 4.0int

(Mats Meeussen) – In dem heiteren Buch „Toujours Provence“ von Peter Mayle – ideal für eine derzeit dringend anempfohlene Reise im Kopf übrigens – geht es oft um gutes Essen. Das Sympathische daran: Es muss nicht immer teuer sein. So stellt darin ein gewisser Régis, seines Zeichens ein „athlète gourmet“, treffend fest, dass es für jeden halbwegs begabten Chef ein Leichtes sei, ein begeisterndes Menü mit entsprechend viel Geld auf die Beine zu stellen, es jedoch viel interessanter sei, die Herausforderung mit einem geringerem Budget zu meistern.

Ich möchte Sie heute bitten, diese Herausforderung anzunehmen und mit mir das Beste aus der Linse herauszuholen. Dazu verrate ich Ihnen mein Rezept und eine persönliche Geschichte. Je nach Herkunft der Linsen und der übrigen Zutaten kommt man auf einen Preis pro Portion zwischen knapp 50 Cent und 3 Euro. Bei meiner Variante liege ich im Mittelfeld. Und: Die kleine konfinierte Familie ist begeistert!

A propos Familie: Nachträglich muss ich meinen lieben Eltern (leider trotz weniger als 100 Kilometern Entfernung gerade unerreichbar) und insbesondere meiner Mutter Respekt zollen, wie viel Geduld sie mit mir hatten. Als ich acht war, waren mir Linsen – neben vielem anderen – Anlass zu üblem Mäkeln. Doch dann änderte ein Besuch im Pariser Restaurant „Chez Françoise“ alles; seit jenem Tag sind sie eines meiner Leibgerichte. Das Rezept, das ich Ihnen heute verrate, steht sozusagen in gerader Abstammungslinie zu diesem Tag.

Es muss ein besonderer Anlass gewesen sein, dass wir dieses vornehme Restaurant im Herzen von Paris aufsuchten. Ich erinnere mich nicht mehr warum. Aber ich entsinne mich noch heute, wie beeindruckt ich von dem Ort war. Der Gang über den Pont des Invalides auf dem Weg dahin ist an sich schon ein Erlebnis, doch bogen wir vor Erreichen des Doms links ab, zu einem Gebäude, auf dem in großen Lettern „Air France“ stand. Und in der Tat handelte es sich um den ehemaligen Gepäck-Eincheck-Bereich der Fluglinie, wo man ab 1949 in einem zugehörigen Restaurant – eben dem „Chez Françoise“ – speisen konnte, um sich die Zeit vor der Check-In zu vertreiben – mitten in Paris.

Damals entdeckte ich auch gerade Tim und Struppi, deren aeronautische Abenteuer jener Jahre in ähnlich illustrem und exklusiven Rahmen gezeichnet wurden – geflogen war ich aber selbst noch nie und so hatte ich ein spannendes Essen, während dem ich auf eine vor dem Invalidendom scharf bremsende Concorde nur so wartete (natürlich war die Grünfläche vor dem Dom nie ein Rollfeld, auch 1949 ging es nach Einchecken und Speisen im Restaurant mit Bussen weiter zum Flughafen). Und da das alles so spannend und piekfein war, ahnte ich, dass es der falsche Ort sei, um übers Essen zu lamentieren. Da mir zwischen vielen Gerichten, deren Namen mir auch auf Deutsch übersetzt nichts sagten (Königshase vom Messersenator) oder mich sogar beunruhigten (gebratene Geflügelmägen), die Linsen doch noch recht harmlos und somit akzeptabel vorkamen, entschied ich mich für eine „Salade de lentilles aux lardons avec son oeuf poché sur bouquet de pisseenlits“ (der Pissinsbettsalat belustigte freilich das vorpubertäre Gemüt).

Wie Sie sehen, das einfache Linsengericht hat mir heute, da ich diese Kolumne schreibe, schon wieder eine Reise in Zeit und Raum beschert. Eine der vielen großartigen Seiten des Kochens.

Meine Recherchen haben mir übrigens Lust gemacht, nach dieser Krise bei meinem nächsten Parisbesuch „Chez Francoise“ erneut aufzusuchen – das Dekor ist immer noch eines exklusiven Klubs aus Tim und Struppi würdig, die Karte sieht vielversprechend aus, die Preise scheinen in Anbetracht der feinen Lage durchaus in Ordnung für einen besonderen Anlass zu sein, das Sonntagsmenü für die Familie inklusive Wein ist mit 38,50 Euro für Pariser Verhältnisse nachgerade demokratisch. Vorbehaltlich meiner echten Testung möchte ich es fast schon empfehlen! Und wie ich las, könnte es sich lohnen, dieses Projekt bald anzugehen, da das Gebäude samt Areal ab 2022 wohl größtenteils im Rahmen des Urbanismusplan „Réinventons Paris 2“ umgewidmet werden wird.

Doch weg von 38,50 Euro hin zu knappen 2 Euro – das nachfolgende aus meiner Kindheit inspirierte Rezept (für 4-6 Personen je nach Hunger – oder für mehrere Tage) hat dabei den Vorteil für Konfiniertre, dass dennoch keine exotischen, schwer zu bekommenden Zutaten aufzutreiben sind.

250 g Linsen (bevorzugt Le Puy, z.B. Lentilles vertes du Puy AOP von La Ponote) waschen, bissfest kochen, abtropfen
2 Karotten und 1 Knolle Rote Beete, beide roh und knackig, in kleinste Würfelchen schneiden oder häckseln
1 Zwiebel hacken

Vinaigrette: Salz, Pfeffer, 2 EL Senf (Empfehlung: eine einfache Moutarde de Dijon, 6 große Esslöffel Öl (Empfehlung: Distelöl), 5 große Esslöffel Essig (Empfehlung: Jerez), 2 Knoblauchzehen gepresst

Vinaigrette und Linsen vermengen
0,2 l (Rinder-)Brühe zugießen

Optional:
200 g ausgelassenen Speck darüber geben und unterrühren, auf einen Bukett von Löwenzahnsalat servieren.

Mit einem pochierten Ei pro Teller garnieren.

Bon appétit, bon voyage et merci Françoise!

2 Kommentare zu Gut und Gerne – Merci, Françoise!

  1. Oh ja, Linsen kommen bei uns auch gern auf den Tisch, und da wird es mir eine Freude sein, Ihr Rezept auszuprobieren – die Kombination mit Roter Beete macht neugierig!

    • Eurojournalist(e) // 12. April 2020 um 23:38 // Antworten

      Hallo Helmut, und wenn Sie Ihren Leipziger Link noch als aktiven Link einbauen möchten, herzlich gerne! Auch in schwierigen Zeiten, schöne Ostern!

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