Gut und Gerne – What the F*@#

Mats Meeussen zu den ernährungstechnischen Fragen in Zeiten des Coronavirus...

Autor Mats Meeussen beim Studium der gerade möglichen Rezepte - so kommt man mit Freude durch's "Confinement"! Foto: Mats Meeussen / CC-BY-SA 4.0int

(Mats Meeussen) – Auch nach bereits langen Tagen des „Confinement“ sind die Supermärkte besser bestückt, als manch einer anfangs gedacht hätte. Aber trotzdem, es gibt nicht das, worauf man gerade Lust hätte. Das mag daran liegen, dass die Heldinnen und Helden der Straße mit ihren Lastern gerade am Limit fahren. Oder daran, dass einige Menschen am frühen Morgen bestimmte Sachen wegkaufen. Das ist auch nicht schlimm. Man sollte zum flexiblen Gourmet mutieren anstatt mit einer fixen Rezeptidee loszustürmen. Und es als Chance sehen, anders als sonst zu kochen.

Eigentlich gehe ich sehr gerne einkaufen. Doch in gerade gilt es, das möglichst nur einmal in der Woche zu tun, um Kontakt zu minimieren. Zwei Meter sind im Supermarkt längst nicht immer möglich. Als ich neulich dort war, herrschte ein solches Gedränge am Obst- und Gemüserayon, dass ich das einfach ausließ. Ich habe die Chance, dass in der Nähe eine Bauern-Kooperative immer noch aus dem LKW verkaufen darf, allerdings gibt es für alle das Gleiche: einen so genannten „panier“, der Inhalt ist vorbestimmt. So kam ich zu einer großen Menge „chou kale“, die irgendwie verarbeitet werden wollte.

Es fing schon mit dem Begriff an: Was genau, verdammte Axt, ist „chou kale“? Meine Internetrecherchen verliefen im Ungefähren, eine eindeutige Übersetzung war auf die Schnelle nicht zu bekommen. Aber es ergab sich für mich die starke Vermutung, dass es so etwas wie Grünkohl sein muss, wenn nicht sogar derselbe höchstpersönlich. So gerne ich in norddeutschen Restaurants Kohl mit Pinkel esse – ich habe das selbst noch nie zubereitet.

So stellte sich angesichts des nahenden Abends immer drängender die Frage, die eines der Kochbücher aus meinem Regal als Titel trägt: „What the F*@# should I make for dinner?“. Das Buch hatte ich schon länger nicht mehr in der Hand. Ich dachte fälschlicherweise, man könne darin nach Zutaten schauen und dann Rezepte finden.

Fehlanzeige. Das Konzept ist für Zeiten unbegrenzter Warenvielfalt gedacht. Man zockt sich gewissermaßen durch ein Ja-Nein-Spiel, um zu dem Rezept zu kommen, das einen am meisten reizt, um DANN einkaufen zu gehen. Das Buch gibt es auch online, spielen Sie es mal NACH der Krise durch (und bestellen Sie bei Gefallen am besten das Buch. Es ist noch weitaus lustiger als die Website, da die Rezepte im Stil des Titels verfasst sind).

Nun, so erfreulich das Buch, so wenig hilfreich heute. Zumal ich dann auch noch hätte schauen müssen, was mein „wohl-sowas-wie-Grünkohl“ auf Englisch ist. Ich suchte also im Internet nach Grünkohlrezepten. Es ging mir in erster Linie um die Zubereitung dieses Gemüses. Den Rest improvisierte ich: mangels Butterschmalzes im Haus verwendete ich das von einer Ente. Und in Ermangelung von Speck gab ich ordentlich Knoblauch zu, so wie ich es bei pommes sarladaises kenne. Und statt Pinkel mussten Diots de Savoie herhalten. Also ein Gericht ganz im Geiste der heute mehr als nötigen deutsch-französischen Freundschaft – und entsprechend köstlich. Inspiriert von einem Campari-Ensinger-Sport-Grapefruit beim Kochen, der aus der Not entstand (kein O-Saft zur Hand…), aber mir ob seiner Herbe besonders mundete und heute ein Mahnmal deutsch-italienischer Verbundenheit sein sollte.

Im Vorwort wird übrigens darauf verwiesen, dass Auswahl eben auch Qual der Wahl bedeuten kann: „Choice, yes fucking choice: it’s a cold bitch that stands between you and food coma.“ Das Problem haben wir gerade nicht. Make the best out of want you fucking get ist gerade das Motto.

Mein Freund, der Fotograf Bernard Guerrier aus dem sonnigen Montpellier, sagt zudem oft und unabhängig von Corona: „Es ist schrecklich einfach, Mats, Leben heißt auslassen“. Aber nicht verbittert, sondern als Lebensweisheit. Man kann ohnedies nicht alles haben, alles tun. Und dass man mal etwas nicht bekommt, bringt auf neue Gedanken.

Ein wenig fehlt mir aber doch Italien, muss ich gestehen: Gleich nach dem Essen tauche ich noch mal tief in seine Fotoserie „Das war also Venedig“ ein. Oder nehme ich doch „Street Art London“? Schließlich hatte er mir einmal von dort das oben erwähnte, großartige Kochbuch mitgebracht…

P.S.: Sollten Sie weniger Lust auf Experimente haben: es gibt zahlreiche Websites, auf denen man anhand von vorhandenen Zutaten nach Rezepten suchen kann, z.B. diese – oder die sogar speziell auf das „confinement“ zugeschnitten sind: . Guten Appetit!

P.P.S.: Falls Sie möchten, hier auch etwas Musik zum Kochen, zum Ensiger-Campari und auch sonst etwas für Italien und die dringend benötigte Solidarität, die Erlöse gehen an eine Klinik in Bergamo. Klicken reicht aber nicht, wenn Sie damit etwas Gutes tun wollen, kaufen bzw. downloaden Sie das Lied!

Und da einer der Nachbarn aus meinem Hof alle Anrainer jeden Tag mit Gratis-Konzerten versorgt, noch ein Link – zu dem neuen Song Blue Lights seiner Band Aoraki. Aoraki ist übrigens gleichbedeutend mit Mount Cook – womit der Kreis zum Kochen auch geschlossen wäre… Viel Spaß! Und bis bald – gut und gerne!

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