Habemus Regierungschefin…
Weißer Rauch über dem Elysée-Palast, wo Präsident Macron nach langem Nachdenken seine neue Regierungschefin ernannt hat. Zunächst mal für vier Wochen. Probezeit.
(KL) – Die Pariser Paläste der Macht schreien danach, bewohnt und genutzt zu werden. Und sei es nur für vier Wochen. Nach einem ewig langen Hin und Her hat sich Präsident Macron nun für die Nachfolge des scheidenden Premierministers Jean Castex entschieden. Warum das so sein muss und warum Macron die alte Regierung nicht kommissarisch für die nächsten vier Wochen belassen hat, was die französische Verfassung durchaus hergibt, hat vermutlich wahltaktische Gründe, wie so ziemlich alles, was der französische Präsident tut. Die neue Regierungschefin heißt Elisabeth Borne und sie hat gerade einmal vier Wochen, sich unentbehrlich zu machen.
Elisabeth Borne? Die in Deutschland weitgehend unbekannte Elisabeth Borne ist ein reines Produkt der Pariser Eliteschulen. Diplome der renommierten Hochschulen „Ponts et Chaussées“ und der „Ecole Polytechnique“, erste Topjobs in der Verwaltung. Und nicht irgendwelche Jobs. Präfektin der Region Poitou-Charentes, dann Wechsel als Kabinettschefin der damaligen sozialistischen Umweltministerin Ségolène Royal, dann der erste Ministerposten unter Premierminister Edouard Philippe und Präsident Macron als Verkehrsministerin; dann „Ministerin für den ökologischen und solidarischen Wandel“; zuletzt Arbeitsministerin unter Jean Castex und nun die erste Regierungschefin Frankreichs seit 30 Jahren. Eine Traumkarriere.
Die Karrierefrau stand der sozialistischen PS so lange nah, wie es dort Top-Posten für sie gab, doch dann stieg sie in die „Macronie“ ein und wurde 2020 Mitglied in der Partei „Territoires de Progrès“, einem Sammelbecken ehemaliger PS-Politiker, die zu Emmanuel Macron gewechselt waren, weil sie sich dort bessere Chancen auf weitere und neue Top-Posten machten.
Für Elisabeth Borne hat das wunderbar geklappt, doch wird auch sie schnell die Grenzen ihres Jobs aufgezeigt bekommen. Unter Präsident Macron hat die Rolle des Ministerpräsidenten ziemlich gelitten. Der Regierungschef, oder jetzt die Regierungschefin, bestimmt nicht etwa Frankreichs Politik, sondern unter Macron ist der Premierminister, oder jetzt die Premierministerin, nicht viel mehr als das Sprachrohr des alleine herrschenden Emmanuel Macron. Gestaltungsspielraum für die Regierungschefin: zero.
Man könnte sich nun die Frage stellen, warum es so dringend nötig war, jetzt eine neue Regierungschefin vorzustellen, wo diese doch bereits in vier Wochen wieder abgewählt werden könnte, wenn nämlich die Parlamentswahlen vorbei sind. Am 19. Juni ist es gut denkbar, dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Assemblée Nationale in Paris ändern und dann muss die Regierung umbesetzt werden. Da wäre es einfacher, effizienter und billiger gewesen, hätte man die alte Regierung kommissarisch im Amt belassen. Dass dies nicht geschehen ist, ist ein wahltaktisches Manöver.
Da Emmanuel Macrons Partei „Renaissance“ (ex-La République en Marche) die lokale Verankerung im Land fehlt, und ihr Abschneiden bei den Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni auf der Kippe steht, dient Elisabeth Bornes Berufung vor allem dazu, den früheren und frustrierten PS-Wählern vorzugaukeln, Emmanuel Macron habe eine „linke“ Politikerin zur Regierungschefin gemacht, in der Hoffnung, einige der früheren PS-Wähler für seine Partei zu mobilisieren und zum anderen will der Präsident, der bei der jüngsten Präsidentschaftswahl immerhin von ¾ der Franzosen nicht gewählt worden war, den Franzosen suggerieren, er habe sich geändert. Zum ersten Mal seit 30 Jahren und Edith Cresson eine Frau an der Spitze der Regierung! Wie modern! Und offen für Neues!
Vier Wochen hat Elisabeth Borne jetzt, um für Emmanuel Macrons Partei Wahlkampf zu machen und dabei der „Macronie“ ein nettes, soziales und umweltfreundliches Gesicht zu geben. Vielleicht bekommt man ja sogar ein paar grüne Wählerstimmen. Schaun wir mal, was Elisabeth Borne in diesen vier Wochen so auf die Reihe bekommt. Bevor in vier Wochen vielleicht schon ihr Nachmieter im Hôtel Matignon, dem Sitz der französischen Regierungschefs, einzieht…
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