Haftbefehl gegen Wladimir Putin

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin erlassen. Der Grund für diesen Haftbefehl ist die Verschleppung von 16.000 ukrainischen Kindern nach Russland – ein Kriegsverbrechen.

Das Timing für diesen Haftbefehl ist nicht sonderlich zielführend. Foto: Generic69 at the English Wikipedia / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wünscht man sich Gerechtigkeit. Russland hat, neben vielen anderen Kriegsverbrechen in der Ukraine, auch 16.000 Kinder nach Russland verschleppt und dort offenbar zur Adoption gebracht. Da die Befehle im Ukraine-Krieg aus dem Kreml stammen, hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag nun Haftbefehle ausgestellt – gegen Wladimir Putin und seine Kommissarin für Kinderrechte Alexejewna Lwowa-Belowa, die in der Organisation dieses Kriegsverbrechens mitwirkt. Da sich wohl kaum jemand der Illusion hingibt, dass Putin eines Tages in Den Haag vor Gericht steht, ist dieser Haftbefehl symbolisch zu verstehen. Nachvollziehbar, aber ob der Zeitpunkt für diesen Haftbefehl richtig ist, bleibt fraglich.

Russland, so erklärten sowohl Putins Regierungssprecher Dmitri Peskow, als auch die Sprecherin des Außenministeriums Maria Sacharowa, erkenne die Zuständigkeit des Den Haager Gerichthofs nicht an, doch merkte man, dass dieser Haftbefehl an den russischen Nerven nagt. Theoretisch müsste nun jedes Land, das den Den Haager Gerichtshof anerkennt und seine Konventionen ratifiziert hat, Putin festnehmen und ausliefern, sobald er einen Fuß in ein solches Land setzt. Dies ist eine starke internationale Ächtung, die Putin vielleicht etwas ärgert, uns ein kurzes, wohliges Gefühl gibt, dass sich nun die Justiz um Putin kümmert und – ändern wird sich nichts. Oder doch, der Weg an den Verhandlungstisch wird noch ein wenig mehr erschwert.

Der Haftbefehl gegen Putin ist ein weiterer Eskalationsschritt und auch strategisch nicht besonders zielführend. Den Haag ermöglicht dem Kreml, seine Geschichte von einem imaginären Angriff auf Russland weiter zu spinnen. Russland versucht immer mehr, sich in eine Opferrolle zu begeben, die es Putin leichter macht, seine Bevölkerung zu Opfern für Mütterchen Russland zu bewegen.

Nächste Woche reist der chinesische Präsident Xi Jinping nach Moskau und wird sich dort drei Tage mit der russischen Führung beraten. Den beiden wird sicherlich eine Antwort auf diesen herben Gesichtsverlust für Putin einfallen, die den weiteren Verlauf dieses Krieges auch nicht positiver beeinflussen wird.

Dass man Kriegsverbrecher vor Gericht stellen will und muss, steht außer Frage. Doch sollte alles zu seiner Zeit passieren. Nun hat Putin einen weiteren Grund, in diesem Krieg unter keinen Umständen einen Rückzieher machen zu können. Die richtige Reihenfolge wäre es gewesen, zuerst das Töten in der Ukraine zu beenden – vor Gericht hätte man Putin stellen können, wenn man irgendwann seiner habhaft geworden wäre. Aber das wird nicht so schnell passieren.

Es ist nicht gerade beruhigend, dass praktisch täglich weitere Eskalationen in diesen Krieg getragen werden – und wenn diese Eskalation mal nicht von der russischen Seite kommt, dann kommt sie eben aus dem Westen. Und täglich rutscht die Welt tiefer in diesen Krieg, der immer noch in seiner Anfangsphase steckt und sich nach wie vor zum Flächenbrand ausweiten kann. In dieser Entwicklung schenkt uns der Haftbefehl gegen Putin einen kurzen Moment einer vermeintlichen Gerechtigkeit, ist aber mit seinem Timing nicht sehr zielführend.

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