Happy Birthday, oder wie?

Rechtzeitig zum 27. Geburtstag hat es das vereinte Deutschland geschafft – zum ersten Mal sitzen 94 Rechtsextreme im Bundestag. Wer will da noch feiern...

Am 3. Oktober 1990 rollten die Soldaten der NVA endgültig ihre Fahnen ein... Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1990-013 / Gahlbeck, Friedrich / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Am 3. Oktober 1990 stimmte der Bundestag über die Aufnahme der Länder der damaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland ab und, wenig überraschend, die Abstimmung fiel positiv aus – die „Wiedervereinigung“ (die technisch gesehen gar keine war, da es ein Deutschland in diesen Grenzen vorher nie gegeben hatte) war vollbracht. Aber wo stehen wir heute, 27 Jahre später? Haben wir wirklich Grund zum Feiern?

Die „blühenden Landschaften“, die einst Helmut Kohl den Menschen im Osten Deutschlands versprochen hatte, haben eine braune Farbe angenommen und das liegt nicht etwa an der Luftverschmutzung in den Kohleregionen Sachsens, sondern daran, dass sich viele Menschen im Osten, enttäuscht von der Politik, den Rechtsextremen zugewandt haben – in Sachsen ist die AfD die stärkste Partei und bei 94 rechtsextremen Bundestagsabgeordneten sollte man die nächsten vier Jahre nicht unbedingt die deutsche Einheit feiern, sondern einen Politikwechsel vollziehen, der 2021 dazu führt, dass die braune Pest wieder aus dem Parlament verschwindet.

Dass sich Deutschland heute wieder mit Ideen auseinandersetzen muss, von denen viele geglaubt und gehofft hatten, dass sie nach 1945 in der Versenkung verschwunden waren, stimmt nachdenklich. Die Verantwortung für diese Entwicklung tragen in erster Linie diejenigen, in deren Politik die Menschen sich nicht mehr wiederfinden – insofern ist Angela Merkels „öh, ich wüsste nicht, was wir anders machen sollten…“ ein Zeichen, dass selbst Ohrfeigen wie die letzten Wahlen nicht verstanden worden sind.

Wo steht Deutschland im Jahr 2017? Durch das Ergebnis der Bundestagswahlen hat sich das Land verändert, wird sich weiter polarisieren. Doch statt positiv nach vorne schauen zu können, müssen wir nun erst einmal das tun, was niemand mehr für möglich gehalten hätte – den schleichenden Faschismus bekämpfen.

Das Ausland schaut mit sorgenvoll gerunzelter Stirn auf Deutschland – und erinnert sich an einen Satz von Winston Churchill – „Ich trauen den Hunnen nicht. Alle 50 Jahre kommen sie aus ihren Bergen geritten, verwüsten alles und ziehen sich schnell wieder zurück.“ In Deutschland bekommt man die meisten dieser besorgten Reaktionen nicht mit, doch sollte man sie wahrnehmen.

Insofern ist der heutige 3. Oktober nicht unbedingt ein „Feiertag“, sondern sollte eher so etwas wie ein „Nachdenktag“ werden – an dem man sich die Frage stellen sollte, wohin die deutsche Reise eigentlich geht. Aber ausschlafen und einen entspannten Tag verbringen darf man trotzdem – auch, wenn es den ganzen Tag regnen soll…

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