Haushaltskürzungen: Wenn die Bürgermeister auf die Straße gehen…

Die französische Regierung beabsichtigt, die Zuschüsse zu den kommunalen Haushalten zu kürzen. Deswegen gingen am Samstag in Frankreich die Bürgermeister demonstrieren.

Kein "Schwarzer Block", sondern demonstrierende Bürgermeister... gegen die kommunalen Haushaltskürzungen. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Die kommunalen Haushalte in Frankreich setzen sich aus zwei Hauptelementen zusammen – den verschiedenen Steuereinnahmen und der „Dotation Globale de Fonctionnement“ (was man am ehesten als „Haushaltszuschuss“ übersetzen kann) des Staats. Je nach Größe einer Gemeinde oder Stadt, kann dieser Zuschuss zwischen ca. 15 % und fast 50 % des Haushalts der betreffenden Stadt oder Gemeinde ausmachen. Im Zuge der aktuellen Sparmaßnahmen, mit denen Frankreich versucht, bis 2017 die Maastrichter Stabilitätskriterien zu erfüllen, hat Finanzminister Michel Sapin vor, diesen Haushaltszuschuss zu kürzen. In Zeiten, in denen sich die Städte und Gemeinden eher mit steigenden Ausgaben herumschlagen müssen, stößt dieses Vorhaben auf wenig Gegenliebe – am Samstag gingen in ganz Frankreich die Bürgermeister demonstrieren, so auch in Straßburg.

Keine Lederjacken, keine Sturmhauben – die Demonstranten, die am Samstag zahlreiche Schaulustige in Frankreichs Städten anzogen, trugen ihre Bürgermeisterschärpen und entsprachen nicht unbedingt dem Aussehen des „normalen“ Demonstranten. Doch die Empörung ist groß. Denn momentan weiß man noch nicht so genau, welche Haushaltsbelastungen auf die Städte und Gemeinden durch die Aufnahme neuer Flüchtlinge, die Neuorganisation der Regionen und die aktuelle Schulreform zukommen werden – das alles riecht nach Mehrausgaben und nicht etwa nach Einsparungspotentialen.

Doch Finanzminister Michel Sapin will darüber nicht diskutieren: „[Von den Städten und Gemeinden] eine Anstrengung zu fordern, ist ja wohl absolut normal, wenn man gleichzeitig Anstrengungen bei den Ausgaben der öffentlichen Hand fordert. Wir verlangen hier weniger als das, was die Sozialversicherung oder der Staat einsparen müssen“. Was soll der Mann auch sagen – Einsparungen sind Maßnahmen, die niemals populär sind. Dennoch erscheinen sie notwendig, wenn man bedenkt, wie hoch die Ausgaben der öffentlichen Hand in Frankreich sind. Der enorme Beamtenapparat, der in Europa einsamer Spitzenreiter ist, hat hieran einen großen Anteil. Und niemand reagiert positiv darauf, wenn Gelder gekürzt werden.

So forderten die Bürgermeister Frankreichs am Samstag ziemlich solidarisch, dass diese Vorgabe zurück genommen werden möge. Denn sie befürchten, dass zahlreiche Gemeinden, vor allem im ländlichen Bereich, innerhalb kurzer Zeit in große Schwierigkeiten kommen könnten und unter „Tutelle“ gestellt werden müssen, eine Prozedur, bei welcher der Haushalt der betroffenen Gemeinde unter die Aufsicht der zuständigen Präfektur gestellt wird, was immer dann der Fall ist, wenn die Abweichung zwischen geplantem und tatsächlichem Haushalt zu groß wird. Während die Ministerin für die Dezentralisierung Marylise Lebranchu schätzt, das dies höchstens für „30 Gemeinden“ zutreffen würde, schätzt der Verein der Bürgermeister Frankreichs (AMF, das Gegenstück zum deutschen Städtetag) die Zahl auf bis zu 1300 Städte und Gemeinden (von 36.000), die nicht mehr in der Lage wären, ihren Haushalt selbst zu managen. „Und diese Zahl könnte in den kommenden Monaten deutlich steigen“, befürchten die Bürgermeister.

Dieser Haushaltszuschuss, der tatsächlich nicht EIN Zuschuss ist, sondern sich aus vier verschiedenen Zuschüssen zusammensetzt (einem „Basiszuschuss“, einem „Zuschuss für städtische Solidarität und sozialen Zusammenhalt“, einem „Zuschuss für ländliche Solidarität“ und einem „Ausgleichszuschuss“ zwischen reicheren und ärmeren Gemeinden), soll bis 2017 um 3,67 Milliarden Euro gesenkt werden.

Für die Bürgermeister Frankreichs ist dies genau der falsche Weg. Sie kritisieren, dass seit dem letzten Jahr die Investitionen in den Gemeinden bereits um 12,4 % gesunken seien und dass dies zu schwerwiegenden Konsequenzen im Bausektor, aber auch für zahlreiche Vereine und Verbände geführt hat, die auf öffentliche Gelder angewiesen sind.

Dies hat sogar schon der französische Rechnungshof bemängelt, der in einem Bericht feststellt, dass „während die Betriebsausgaben der lokalen Verwaltungen weiter steigen, die Investitionen zurückgehen“ – was bedeutet, dass der ohnehin schon aufgeblähte Verwaltungsapparat weiter steigende Kosten verursacht, während dringend benötigte öffentliche Investitionen, mit denen die Konjunktur wieder belebt werden könnte, ausfallen.

Doch wo soll man kürzen? Den viel zu großen Beamtenapparat zu verkleinern, das ist eines der Hauptziele der so lebhaft kritisierten Gebietsreform – bei der man allerdings noch nicht erkennen kann, dass sie wirklich eine Wirkung zeigen wird, denn in den Vorbereitungen für diese zum 1. Januar 2016 in Kraft tretende Reform, verteidigt gerade jede Verwaltung ihre Erbhöfe. Was dann zu der seltsamen Situation führt, dass die Gebietskörperschaften selbst dafür verantwortlich sind, dass die Defizite größer statt kleiner werden – doch in Frankreich traut sich kein Politiker ernsthaft daran, die Zahl oder die Bezüge der Beamten ernsthaft in Frage zu stellen.

Auch, wenn das in Frankreich niemand gerne hören wird – aller Wahrscheinlichkeit wird in dieser Situation kein Weg daran vorbeiführen, dass die Steuern erhöht werden, wenn man sich schon nicht an tatsächliche Einschnitte in die Beamtenschaft traut. Das wiederum dürfte den regierenden Sozialisten schwer fallen, hat doch Präsident Hollande gerade Steuersenkungen angekündigt. Oder aber, und das ist wesentlich wahrscheinlicher: Frankreich wird 2017 die Stabilitätskriterien Europas immer noch nicht erfüllen. Wovon die Welt aber auch nicht untergehen wird…

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